Muss ein Testamentsvollstrecker alle Erben gleich behandeln?
OLG Frankfurt – Beschluss vom 15.02.2016 – 8 W 59/15
- Testamentsvollstrecker zahlt an zwei von vier Erben Nachlassmittel nicht aus
- Testamentsvollstrecker ist zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet
- Gericht akzeptiert das Handeln des Testamentsvollstreckers
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte die Frage zu beantworten, ob ein Testamentsvollstrecker verpflichtet ist, alle Erben gleich zu behandeln.
In der Angelegenheit war der Erblasser im Oktober 2011 verstorben. Der Erblasser hatte kurz vor seinem Tod ein notarielles Testament errichtet. In diesem Testament hatte er seine zwei noch minderjährigen Kinder zu je 2/10 als Erben eingesetzt. Die Mutter dieser beiden Kinder sollte ebenso wie ein bereits volljähriges Kind des Erblassers zu je 3/10 Erbe sein.
Gleichzeitig hatte der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet und seine Schwägerin zur Testamentsvollstreckerin ernannt.
In den Nachlass fielen einige Immobilien, die vermietet waren. Der monatliche Mietertrag betrug 2.000 Euro.
Testamentsvollstrecker stellt die Zahlungen an die minderjährigen Erben ein
Zunächst zahlte die Testamentsvollstreckerin die Mieteinnahmen anteilig an die Erben aus. Die Mutter und das volljährige Kind erhielten monatlich 600 Euro, die beiden minderjährigen Kinder je 400 Euro. Die Gelder für die minderjährigen Kinder bezahlte die Testamentsvollstreckerin dabei an die Mutter der Kinder aus, die das Sorgerecht für die Kinder hatte.
Mit Wirkung zum 01.04.2014 stellte die Testamentsvollstreckerin aber die Zahlungen für die beiden minderjährigen Kinder ein. Die Testamentsvollstreckerin begründete diesen Zahlungsstopp mit dem Hinweis, dass die Mutter als Zahlungsempfängerin die Beträge nicht für ihre Kinder, sondern für sich selber verwende. Die Zahlungen an das volljährige Kind und die Mutter liefen hingegen weiter.
Die minderjährigen Kinder waren mit dieser Handhabung durch die Testamentsvollstreckerin nicht einverstanden. Sie vertraten die Auffassung, dass es nicht die Aufgabe der Testamentsvollstreckerin sein könne, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten zu regeln.
Minderjährige Kinder beantragen Prozesskostenhilfe
Sie beantragten daher beim Landgericht Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Testamentsvollstreckerin, mit der die beiden minderjährigen Kinder für den Zeitraum von April bis einschließlich November 2014 je einen Betrag in Höhe von 3.200 Euro von der Testamentsvollstreckerin forderten.
Dieser Prozesskostenhilfeantrag wurde in erster Instanz vom Landgericht zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung legten die beiden minderjährigen Kinder Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Doch auch das OLG sah für das Anliegen der beiden Kinder keine ausreichende Erfolgsaussicht und wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
In der Begründung seiner Entscheidung verwies das OLG darauf, dass Erben zwar grundsätzlich vom Testamentsvollstrecker verlangen könnten, dass dieser seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erfüllt.
Diese Pflicht habe die Testamentsvollstreckerin im zu entscheidenden Fall aber nicht verletzt. Die Testamentsvollstreckerin habe dem Gericht vielmehr nachgewiesen, dass es die auf die beiden Kinder entfallenden Mieteinnahmen auf ein Tagesgeldkonto angelegt habe und das so angesammelte Geld den Kindern mit Erreichen der Volljährigkeit auszahlen wolle.
Grundsätzlich könne ein Erbe von einem Testamentsvollstrecker nur dann die Herausgabe einzelner Nachlassgegenstände fordern, wenn diese Herausgabe den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB entspreche.
Wann muss der Testamentsvollstrecker Gelder freigeben?
Dem Testament des Erblassers seien keine expliziten Hinweise zur Nutzung der Erträgnisse aus dem Nachlass zu entnehmen, so das Gericht. In Ermangelung solcher Hinweise würde die Verwaltungspflicht der Testamentsvollstreckerin daher vorliegend durch das „objektive Nachlassinteresse und demnach besonders durch die allgemeinen Regeln der Wirtschaftlichkeit“ näher konkretisiert.
Nutzungen aus dem Nachlass habe der Testamentsvollstrecker nur dann verpflichtend herauszugeben, wenn dies „zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des oder der Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden (Erbschaftsteuer) erforderlich“ sei.
Diese Voraussetzungen würden aber im zu entscheidenden Fall nicht vorliegen bzw. seien von den beiden Antragstellern nicht dargetan worden.
Die Forderung der beiden Kinder sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Erben gerechtfertigt, so das Gericht.
Zwar müsse der Testamentsvollstrecker grundsätzlich alle Erben gleich behandeln. Dieser Grundsatz erfahre aber dann Einschränkungen, wenn sich aus dem letzten Willen des Erblassers ergebe, dass der Erblasser selber zwischen den Erben differenziert habe.
Nachdem der Erblasser aber in seinem Testament deutlich gemacht habe, dass bis zur Erlangung der Volljährigkeit seiner minderjährigen Erben eine Testamentsvollstreckung gelten solle, müssten es die noch minderjährigen Erben grundsätzlich hinnehmen, dass sie, anders als ihre Miterben, die Mieteinnahmen nicht direkt ausbezahlt erhalten, sondern dass die Einnahmen auf ein Festgeldkonto zu ihren Gunsten angelegt wird.
Bis zur Volljährigkeit kamen die beiden minderjährigen Kinder an die Beträge nicht heran.
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