Alleinerbe bei werthaltigem Nachlass – Trotzdem bekommt der Erbe nichts!
- Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten
- Erbe hat auch Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche zu regulieren
- Pflichtteil kann Erbe betragsmäßig übersteigen
Das deutsche Erbrecht führt manchmal zu Ergebnissen, die auf den ersten Blick nur schwer verständlich sind.
So kann es durchaus vorkommen, dass man Post vom Nachlassgericht bekommt, der zu entnehmen ist, dass man von einem Erblasser in einem Testament als Erbe eingesetzt wurde.
Und obwohl der Nachlass durchaus werthaltig ist und der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens über ein durchaus stattlich gefülltes Bankkonto verfügte, stellt der Erbe am Ende der Tage fest, dass er keinen einzigen Euro erhält.
Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten
Grund für eine solche zunächst paradox erscheinende Situation ist die gesetzliche Regelung in § 1967 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Diese lautet ebenso kurz wie eindeutig:
Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.
Der Erbe übernimmt mit der Erbschaft demnach nicht nur das positive Vermögen des Erblassers, sondern haftet auch für alle Schulden, die der Erblasser ihm hinterlassen hat.
Sind die Schulden, die der Erblasser zu Lebzeiten angehäuft hat, größer, als das positive Vermögen, das zum Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhanden ist, dann kann das Bankvermögen des Erblassers noch so groß sein. Der Erbe muss die Schulden des Erblassers begleichen und die Erbschaft an die Nachlassgläubiger herausgeben.
Erbe positiv – Nachlass ist offenbar nicht überschuldet
Noch überraschender kann die Lage für den Erben dann werden, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls positives Vermögen vorhanden war und der Erblasser keinerlei Schulden hinterlassen hat.
Auch in diesem Fall ist es nämlich denkbar, dass der Erbe am Ende nichts von seiner Erbschaft hat.
Der Erbe muss nämlich immer berücksichtigen, dass er nicht nur für herkömmliche Schulden des Erblassers haftet, sondern auch für so genannte Erbfallschulden.
Erbfallschulden können klassischerweise dann entstehen, wenn der Erblasser in seinem Testament zugunsten einer dritten Person ein Vermächtnis ausgesetzt hat oder in seinem Testament nächste Familienangehörige von der Erbfolge ausgeschlossen hat und so Pflichtteilsrechte nach § 2303 BGB ausgelöst hat.
Pflichtteilsansprüche richten sich gegen den Erben
War der Erblasser mit dem von ihm eingesetzten Erben nicht verwandt und nicht verheiratet, hatte der Erblasser aber Kinder, Enkel oder auch einen Ehepartner, dann muss der testamentarisch eingesetzte Erbe aufpassen.
Nächste Familienangehörige, die in einem Testament des Erblassers nämlich von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind, haben einen gegen den Erben gerichteten Anspruch auf den so genannten Pflichtteil.
Dieser Pflichtteil ist ein auf Geld gerichteter Anspruch und besteht in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils der enterbten Person.
Hat der Erbe Pflichtteilsansprüche zu regulieren, dann kann er im Normalfall davon ausgehen, dass ihm selbst ein Teil der Erbschaft auch dann verbleibt, wenn er selber nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört.
Schenkungen des Erblassers führen zu Pflichtteilsergänzung
Dieser Grundsatz gilt aber dann nicht mehr, wenn der Erblasser vor seinem Ableben Schenkungen gemacht hat und diese Schenkungen zu einem so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB führen.
In diesem Fall kann es dem Erben durchaus passieren, dass er eine auch namhafte Erbschaft komplett an den oder die Pflichtteilsberechtigten herausgeben muss.
Nach Annahme der Erbschaft muss sich der Erbe in diesen Fällen sogar intensiv mit den gesetzlichen Möglichkeiten beschäftigen, seine Erbenhaftung nachträglich auf den Nachlass zu beschränken, um nicht am Ende mit eigenem Vermögen die gegen ihn gerichteten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche bedienen zu müssen.
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