Anwalt und Mandant verkennen gesetzliche Formerfordernisse bei der Ausschlagung einer Erbschaft
OLG Jena – Beschluss vom 12.10.2015 – 6 W 364/15
- Sohn der Erblasserin beantragt als Erbe einen Erbschein und setllt fest, dass der Nachlass überschuldet ist
- Nachfolgend lässt der Sohn der Erblasserin über eine Anwältin eine Anfechtung erklären
- Anfechtungserklärung ist formunwirksam
Das Oberlandesgericht Jena hatte über die Wirksamkeit einer Erklärung zu befinden, mit der ein Erbe eine überschuldete Erbschaft ausschlagen wollte.
In der Sache war die Erblasserin am 19.03.2014 verstorben. Die Erblasserin hatte ein Testament hinterlassen, in dem sie ihren Ehemann und ihren Sohn je zur Hälfte als Erben eingesetzt hatte.
Das Testament wurde am 28.03.2014 vom Nachlassgericht eröffnet. Auf Antrag der beiden Erben erteilte das Nachlassgericht am 16.07.2014 den Erben einen Erbschein, der sie als je hälftige Erben auswies.
Erbe stellt die Überschuldung des Nachlasses fest
Im August stellte der Sohn der Erblasserin fest, dass der Nachlass offenbar überschuldet war, nachdem sich das Finanzamt mit einer Steuernachforderung in fünfstelliger Höhe zu Lasten der Erblasserin gemeldet hatte.
Am 22.08.2014 ließ der Sohn über eine Anwältin die Anfechtung der durch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist konkludent bewirkten Erbschaftsannahme erklären. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Sohn erst am 21.08.2014 von der Steuernachforderung und damit von der Überschuldung des Nachlasses erfahren habe.
Nachdem das Nachlassgericht darauf hingewiesen hatte, dass die Anfechtungserklärung nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entspreche, verwies die Anwältin des Sohnes darauf, dass die Anwaltsvollmacht notariell beglaubigt worden sei. Vorsorglich beantragte die Anwältin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Erbschein wird nicht als unrichtig eingezogen
Mit Beschluss vom 06.03.2015 lehnte es das Nachlassgericht ab, den bereits erteilten Erbschein als unrichtig einzuziehen und lehnte auch den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidungen des Nachlassgerichts richtete sich die Beschwerde des Sohnes.
Die Beschwerde wurde vom OLG allerdings als unbegründet zurückgewiesen. Eine Einziehung des Erbscheins komme nicht in Betracht, da er zu Recht ergangen und inhaltlich richtig sei.
Anfechtung hatte keine Rechtswirkung
In der Begründung seiner Entscheidung stellte das OLG zunächst fest, dass der Beschwerdeführer – unstreitig – die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB versäumt habe.
Weiter sei vom Beschwerdeführer aber auch die Versäumung der Ausschlagungsfrist nach §§ 1956, 1955, 1954, 1945, 1944 BGB nicht wirksam angefochten worden.
Zwar könnte die Versäumung der Ausschlagungsfrist bei Vorliegen eines Irrtums grundsätzlich angefochten werden und damit die Annahme der Erbschaft revidiert werden. Voraussetzung hierfür sei aber, dass innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist eine formwirksame Anfechtungserklärung abgegeben wird.
Formvorschriften für Anfechtungserklärung wurden nicht beachtet
Die Form für die Anfechtungserklärung richte sich nach den §§ 1955, 1945 BGB. § 1945 BGB setze grundlegend voraus, dass die Anfechtungserklärung fristgerecht entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich-beglaubigter Form abgegeben wird.
Nachdem die Anwältin des Erben vorliegend aber ebenso wenig wie ihr Mandant eine solche formgerechte Erklärung abgegeben hatte, verblieb es bei der im Testament und auch im Erbschein wiedergegebenen Erbfolge.
Eine Wiedereinsetzung konnte vom Gericht bereits deswegen nicht gewährt werden, da weder Ausschlagungsfrist noch Anfechtungsfrist als materielle Ausschlussfristen vom Gericht verlängert werden könnten. Eine Wiedereinsetzung komme immer nur bei Verfahrensvorschriften der ZPO bzw. des FamFG in Betracht, nie jedoch bei materiellen Fristen des BGB.
Im Ergebnis blieb der Sohn also offiziell Erbe seiner Mutter und musste sich wohl oder übel mit den Forderungen des Finanzamtes beschäftigen.
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