Patchwork-Familie – Stiefkinder haben im Erbfall Anspruch auf angemessene Ausbildung

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Abkömmling des Erblassers hat gegen Stiefmutter bzw. Stiefvater Anspruch auf Mittel für eine angemessene Ausbildung.
  • Ausbildungskosten und Kosten für den Lebensunterhalt müssen erstattet werden.
  • Wenn der Abkömmling des Erblassers genügend eigene Mittel hat, entfällt der Anspruch.

Die so genannte Patchwork-Familie ist angesichts von stabilen Scheidungsquoten von über 40% in Deutschland mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Es entspricht durchaus gängiger Übung, wenn Väter und Mütter nach einer gescheiterten Ehe zeitnah einem – gegebenenfalls auch mit Kindern ausgestatteten – neuen Partner wieder da Ja-Wort geben.

Erbrechtlich kann man diese neue Situation relativ gut in den Griff bekommen. Der alte Ehepartner scheidet mit Scheidung ohnehin regelmäßig aus der Erbfolge aus, der neue Partner erwirbt mit der Verheiratung – neben vorhandenen leiblichen Kindern – ein gesetzliches Erbrecht.

Natürlich steht es auch den Partnern einer Patchwork-Familie jederzeit frei, ihre Erbfolge im Rahmen eines Testamentes oder Erbvertrages abweichend von den gesetzlichen Vorstellungen zu regeln.

Spezialvorschrift für Patchwork-Familien

Eine nur wenig bekannte und im Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) versteckte Vorschrift sorgt im Erbfall bei Patchwork-Familien immer wieder für Klärungsbedarf.

Nach § 1371 Abs. 4 BGB hat nämlich ein erbberechtigter Abkömmling des Erblassers gegen seine Stiefmutter bzw. seinen Stiefvater gegebenenfalls einen Anspruch auf Gewährung von finanziellen Mitteln für eine angemessene Ausbildung.

Voraussetzung ist, dass der überlebende Stiefelternteil gesetzlicher Erbe geworden ist und sich dessen Erbteil (automatisch) nach den §§ 1931 Abs. 3 i.V.m. 1371 BGB um ein Viertel erhöht hat. Der Stiefelternteil darf also nicht die so genannte güterrechtliche Lösung gewählt und seinen Erbteil ausgeschlagen haben oder in einem Testament als Erbe eingesetzt worden sein.

Kommt der Stiefelternteil also als gesetzlicher Erbe seines verstorbenen Partners zum Zuge, so muss er grundsätzlich seinen Stiefkindern (den Kindern des verstorbenen Partners) die finanziellen Mittel für eine angemessene Ausbildung zur Verfügung stellen.

Erbrecht kraft Gesetz Voraussetzung für Anspruch auf Ausbildungskosten

Voraussetzung für diesen besonderen Anspruch auf Bezahlung von Ausbildungskosten ist, dass die Stiefkinder ihrerseits gesetzlich erbberechtigt sind. Es reicht nicht aus, dass die Stiefkinder von ihrem Vater bzw. von ihrer Mutter in einem Testament bedacht wurden.

Von diesem besonderen Anspruch sind dann aber nicht nur die reinen Ausbildungskosten des Stiefkindes umfasst, sondern auch die Kosten für die Bestreitung der Lebenshaltungskosten.

Der Anspruch des Stiefkindes auf Zahlung von Ausbildungskosten entfällt allerdings, wenn das Stiefkind selber in der Lage, seine Ausbildung zu finanzieren. Hierzu muss es gegebenenfalls auch sein Vermögen und auch die Geldmittel angreifen, die ihm im Rahmen der Erbschaft zugeflossen sind.

Schließlich ist der Anspruch auf Zahlung von Ausbildungskosten auch der Höhe nach begrenzt. Stiefmutter bzw. Stiefvater müssen nie mehr bezahlen als das zusätzliche Viertel der Erbschaft, was ihnen nach § 1371 Abs. 1 BGB zugeflossen ist.

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