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Im Aufgebotsverfahren muss angegeben werden, wo ein Nachlassgläubiger seine Ansprüche anmelden kann!

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Braunschweig – Beschluss vom 25.01.2022 – 3 W 68/21

  • Erbin ist sich nicht sicher, ob der Nachlass überschuldet ist und beantragt eine Nachlassverwaltung
  • Der Nachlassverwalter leitet ein Aufgebotsverfahren ein
  • Das Aufgebotsverfahren leidet an einem formalen Fehler und wird aufgehoben

Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte über den Ausschluss eines Nachlassgläubigers in einem Aufgebotsverfahren zu entscheiden.

In der Angelegenheit war ein Erblasser am 27.01.2019 verstorben und von seiner Tochter beerbt worden.

Für die Tochter des Erblassers bestanden offenbar Zweifel, ob der Nachlass ausreichen würde, um sämtliche Nachlassverbindlichkeiten zu regulieren.

Nachlassverwalter beantragt Aufgebotsverfahren

Auf Antrag der Erbin war daher in der Sache nach § 1981 BGB eine Nachlassverwaltung angeordnet und ein Nachlassverwalter eingesetzt worden.

Von dem Nachlassverwalter war dann ein Aufgebotsverfahren nach § 1970 BGB eingeleitet und die Nachlassgläubiger zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert worden.

Am 11.06.2020 erließ das Amtsgericht mit folgendem Wortlaut das vom Nachlassverwalter beantragte Aufgebot:

Die Gläubiger des vorbezeichneten Nachlasses werden aufgefordert, spätestens bis zum 09.11.2020 ihre Rechte als Nachlassgläubiger anzumelden, da sie andernfalls von den Erben Befriedigung nur insoweit verlangen können, als sich nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger noch ein Überschuss ergibt.

Dieses Aufgebot wurde 27 namentlich bekannten Nachlassgläubigern zugestellt.

Veröffentlichung des Aufgebots an der Gerichtstafel

Weiter wurde das Aufgebot durch Aushang an der Gerichtstafel und am 18.06.2020 durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich bekanntgemacht.

Mit Ausschließungsbeschluss vom 14. 04.2021 beschränkte das Amtsgericht dann in der Folge die Rechte derjenigen Gläubiger, die sich in dem Aufgebotsverfahren nicht gemeldet hatten.

Mit Schriftsatz vom 07.06.2021 meldete sich dann ein Bruder des Erblassers beim Amtsgericht und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge.

Bruder des Erblassers ist auch Nachlassgläubiger

Der Bruder des Erblassers gab an, dass er gegen den Erblasser Forderungen auf Darlehensrückzahlung in Höhe von insgesamt 106.267,07 Euro habe und auf einer Gläubigerliste verzeichnet sei, die die Tochter des Erblassers an den Nachlassverwalter übergeben habe. 

Zudem seien dem Nachlassverwalter von der Tochter des Erblassers Unterlagen zu einem Mahnverfahren des zentralen Mahngerichts Uelzen übergeben worden, die seine Forderung dokumentierten.

Der Bruder des Erblassers konnte sich vor diesem Hintergrund nicht erklären, warum er von dem Aufgebotsverfahren nicht informiert worden sei und der Nachlassverwalter bestreite, Kenntnis von seiner Forderung zu haben.

Amtsgericht legt die Sache dem Oberlandesgericht vor

Der Nachlassverwalter behauptete, erst im Mai 2021 von der Forderung des Bruders des Erblassers erfahren zu haben.

Das Amtsgericht wertete daraufhin das Schreiben des Bruders des Erblassers als Beschwerde gegen den Ausschließungsbeschluss vom 14.04.2021 und leitete die Beschwerde dem Oberlandesgericht zur Entscheidung zu.

Das OLG gab der Beschwerde statt und hob den Ausschließungsbeschluss des Amtsgerichts auf.

Ausschließungsbeschluss an sich war rechtmäßig

Dabei wies das OLG allerdings darauf hin, dass der Ausschließungsbeschluss des Amtsgerichts an sich rechtmäßig ergangen sei.

Insbesondere an der vom Amtsgericht gewählten Art der öffentlichen Zustellung des Beschlusses äußerte das OLG keine Kritik.

Durch den Aushang an der Gerichtstafel des Amtsgerichts und die Veröffentlichung im Bundesanzeiger sei der Beschluss – auch dem Beschwerdeführer – wirksam zugestellt worden.

Forderungen wurden nicht rechtzeitig angemeldet

Der Beschwerdeführer habe seine Forderungen gegen den Nachlass auch nicht (rechtzeitig) im Aufgebotsverfahren angemeldet.

Der letzte mögliche Anmeldezeitpunkt einer Forderung sei dabei der Tag des Erlasses des Ausschließungsbeschlusses und eine Anmeldung könne auch nicht außerhalb des eigentlichen Aufgebotsverfahrens - etwa beim Antragsteller, Nachlassverwalter oder Nachlassgericht - ersetzt werden.

Weiter sei bei Fristversäumnis auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.

Einen Fehler fand das OLG dann aber doch in Bezug auf das Aufgebotsverfahren.

Das Aufgebot enthält einen formalen Fehler

Das Aufgebot vom 11. 06.2020 enthielt nämlich nicht alle gemäß § 434 Abs. 2 
FamFG zwingend erforderlichen Angaben.

Nach § 434 FamFG müsse nämlich u.a. in das Aufgebot aufgenommen werden,

die Aufforderung, die Ansprüche und Rechte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bei dem Gericht anzumelden (Anmeldezeitpunkt);

In diesem Punkt war dem Amtsgericht der entscheidende Fehler unterlaufen.

Es hatte in seinem Beschluss nicht aufgenommen, an welcher Stelle die Nachlassgläubiger ihre Rechte anmelden können.

Der gesamte Aufgebotsbeschluss war damit ebenso unwirksam wie der auf dem Aufgebotsbeschluss beruhende Ausschließungsbeschluss.

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