Nachlasspfleger muss Aktien nicht zwingend verkaufen, um das Geld sicherer anzulegen
OLG Braunschweig – Beschluss vom 20.04.2020 – 3 W 37/20
- Nachlasspfleger will Aktien im Wert von über einer Million Euro verkaufen
- Nachlassgericht verweigert die Genehmigung für den Verkauf
- Oberlandesgericht bestätigt die Entscheidung des Nachlassgerichts
Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte die Frage zu klären, in welcher Form ein Nachlasspfleger Vermögenswerte des von ihm betreuten Nachlasses anzulegen hat.
In der Angelegenheit hatte ein Nachlassgericht im Mai 2019 für die unbekannten Erben eines Verstorbenen eine Nachlasspflegschaft angeordnet und einen Nachlasspfleger eingesetzt.
Der Nachlasspfleger stellte fest, dass ein nicht unerheblicher Teil des Nachlasses aus einem Aktiendepot mit 24 verschiedenen Aktienwerten und einem Aktienfonds mit einem Wert in Höhe von rund einer Million Euro bestand.
Nachlasspfleger beantragt Genehmigung zum Verkauf der Aktien
Der Nachlasspfleger beantragte dann zeitnah nach Erfassung der Nachlasswerte bei dem zuständigen Nachlassgericht die Genehmigung zur Veräußerung der Aktien.
Der Nachlasspfleger vertrat die Auffassung, dass Aktien eine risikobehaftete Anlageform und nicht mündelsicher seien. Den Veräußerungserlös wollte der Nachlasspfleger auf ein Sparkonto einzahlen.
Zur Vertretung der unbekannten Erben in dem Genehmigungsverfahren bestellte das Nachlassgericht daraufhin einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger der Erben.
Dieser Verfahrenspfleger teilte dem Nachlassgericht daraufhin mit, dass sich die in dem Nachlass befindlichen Aktien nach dem Tod des Erblassers durchaus positiv entwickelt hätten.
Die Wertentwicklung der Aktien ist erfreulich
Der Depotbestand, so die Ermittlungen des Verfahrenspflegers, habe sich am 31.12.2018 auf 1.039,429,13 Euro, am 04.06.2019 auf 1.179.484,68 Euro und am 30.06.2019 auf 1.204.177,10 Euro belaufen.
Daraufhin entschied das Nachlassgericht, dass dem Nachlasspfleger die beantragte Genehmigung zur Veräußerung der Aktien nicht erteilt wird. Die Entwicklung des Depots sei schließlich positiv.
Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Nachlasspfleger allerdings Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Geldvermögen muss grundsätzlich mündelsicher angelegt werden
Seine Aufgabe sei es, so der Nachlasspfleger zur Begründung seiner Beschwerde, den Nachlass zu sichern und Geldvermögen mündelsicher anzulegen. Aktien seien aber nicht mündelsicher sondern würden im Wert stark schwanken.
Das OLG wies die Beschwerde des Nachlasspflegers aber als unbegründet ab.
Die von dem Nachlasspfleger beantragte Genehmigung sei vom Nachlassgericht zu erteilen, wenn dies dem Interesse der unbekannten Erben entspreche.
Zu den Kernaufgaben des Nachlasspflegers gehöre, die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben auch dadurch wahrzunehmen, indem er den Nachlass erhält. Dabei sei aber auch die Wertentwicklung einzelner im Nachlass befindlicher Vermögenswerte zu berücksichtigen.
Keine Pflicht zur Umschichtung von nicht mündelsicheren Geldanlagen
Es bestehe, so das OLG, „keine generelle Pflicht zur Umschichtung von nicht mündelsicheren Kapitalanlagen“ durch den Nachlasspfleger.
Auch eine risikobehaftete Anlageform müsse, so das OLG weiter, „keineswegs per se abgestoßen werden, wenn das bestehende Risiko im Hinblick auf den Nachlass im Übrigen und bei wirtschaftlicher Betrachtung vertretbar erscheint“.
Das OLG erkannte zwar an, dass Aktien durchaus Kursschwankungen unterliegen könnten, der Investitionserfolg hänge aber, anders als beispielsweise bei Termin- oder Optionsgeschäften, nicht von einem sofortigen Handeln des Nachlasspflegers ab.
Einem übermäßigen Verlustrisiko bei Investition in Aktien müsse durch eine angemessene Diversifizierung bei den gewählten Anlageformen begegnet werden.
Rein vorsorglich wies das OLG ergänzend darauf hin, dass auch die aktuellen durch die Corona-Krise ausgelösten Verwerfungen am Aktienmarkt kein Anlass wären, sämtliche von einem Nachlasspfleger für unbekannte Erben gehaltenen Aktien unmittelbar zu veräußern.
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