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Muss ein gerichtlicher Gutachter zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers zwingend angehört werden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München - Beschluss vom 22.10.2014 - 31 Wx 239/13

  • Nachlassgericht weist einen Erbscheinsantrag mit Hinweis auf die Testierunfähigkeit der Erblasserin ab
  • Gericht stützt sich auf ein Gutachten
  • Testamentserbe moniert, dass der Gutachter hätte angehört werden müssen

Das Oberlandesgericht München hatte in einer Erbscheinssache zu klären, ob ein vom Nachlassgericht eingeschalteter Sachverständiger, der ein Gutachten zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin erstellt hatte, zwingend vor Gericht geladen werden muss, um sein Gutachten zu erläutern.

In der Angelegenheit hatte nach dem Tod der Erblasserin ein Beteiligter beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Der Antragsteller stützte sein Erbrecht auf ein Testament, das die Erblasserin am 24.12.2011 verfasst hatte.

Das Nachlassgericht wertete das vom Antragsteller vorgelegte Testament allerdings nach umfangreicher Beweisaufnahme als unwirksam.

Nachlassgericht hält die Erblasserin für testierunfähig

Nach Überzeugung des Nachlassgerichts, das zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, war die Erblasserin im entscheidenden Moment der Testamentserrichtung wegen seniler Demenz vom Alzheimer-Typ testierunfähig, das Testament mithin unwirksam.

Gegen den ablehnenden Beschluss des Nachlassgerichts legte der Antragsteller Beschwerde zum OLG ein. Er beklagte in der Beschwerde insbesondere, dass die Feststellungen des Sachverständigen unzutreffend seien, der Gutachter im Rahmen seiner Betrachtung insbesondere nicht auf die äußere Form und den Inhalt des Testaments vom 24.12.2011 eingegangen sei.

Der Antragsteller vermisste weiter die Einholung eines graphologischen Gutachtens über das Testament durch das Gericht und er sah das Gericht in der Pflicht, Kontaktpersonen aus dem sozialen Umfeld der Erblasserin als Zeugen zu vernehmen.

Beschwerdeführer besteht auf Vernehmung des Sachverständigen

Schließlich bestand der Antragsteller und Beschwerdeführer darauf, dass der Sachverständige vor Gericht erscheint und die Aussagen in seinem Gutachten im Einzelnen erläutert.

Letzteren Anspruch leitete der Beschwerdeführer aus seinem Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ab.

Trotz dieses umfangreichen Vortrags des Beschwerdeführers wies das OLG die Beschwerde als unbegründet zurück. Für das OLG stand fest, dass das Testament der Erblasserin wegen Testierunfähigkeit der Erstellerin von Beginn an unwirksam war.

OLG hält die Würdigung des Sachverhaltes durch das Nachlassgericht für zutreffend

In der Begründung der Entscheidung wies das OLG insbesondere auf die umfassende Faktengrundlage hin, auf deren Grundlage der Sachverständige zu dem Schluss gekommen war, dass die Erblasserin testierunfähig und damit auch das Testament unwirksam war.

Die Erblasserin, so das OLG in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Gutachtens, litt zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an einem demenziellen Syndrom, das so stark ausgeprägt war, dass ihr eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war.

Gericht und Sachverständiger konnten sich dabei auf zahlreiche Stellungnahmen von Ärzten stützen, die die Erblasserin zu Lebzeiten behandelt hatten.

Ärzte bestätigen den Befund des Sachverständigen

Die Ärzte kamen anlässlich diverser Zusammentreffen mit der Erblasserin in den Jahren 2010 und 2011 zu der Einschätzung, dass die Erblasserin „Gedankensprünge zeige, depressiv wirke und kognitive Defizite“, „schwere Teilleistungsstörungen im Bereich der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses“ aufweise, “zeitlich und situativ nicht, zum Ort nur eingeschränkt“ orientiert sei sowie „deutliche Einschränkungen von Auffassung, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisfunktionen sowie weitestgehende Aufhebung von Urteils- und Kritikvermögen“ aufweise.

Nur vier Monate vor Errichtung des Testaments Ende 2011 teilte die behandelnde Hausärztin mit, dass die Erblasserin „zeitweise desorientiert sei und glaube, im Jahr 1922 zu leben.“

Auf Grundlage dieser erheblichen kognitiven Ausfallerscheinungen der Erblasserin kamen Gericht und Gutachter zu dem Schluss, dass sich die Erblasserin Ende 2011 nicht mehr in einem Zustand befunden hat, der die wirksame Errichtung eines Testaments vorausgesetzt hätte.

Einholung eines graphologischen Gutachtens ist überflüssig

Für diese Feststellung habe der Sachverständige sich auch nicht weiter mit dem Inhalt und der Form des Testaments auseinandersetzen müssen und ebenso wenig sei die Einholung eines graphologischen Gutachtens über das Testament veranlasst gewesen. In Anbetracht der aussagekräftigen Belege in den Stellungnahmen der diversen Ärzte habe man auch keine weiteren Zeugen aus dem privaten Umfeld der Erblasserin anhören müssen.

Und schließlich sei das Gericht auch nicht zwingend verpflichtet gewesen, den Sachverständigen auf Antrag des Beschwerdeführers hin im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu seinem Gutachten zu befragen. Zwar umfasse, so das OLG, der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger.

Im Regelfall müsse ein Gericht demnach dem Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf mündliche Befragung gerichtlicher Sachverständiger auch nachkommen.

Weitere Erkenntnisse sind von einer mündlichen Einvernahme des Sachverständigen nicht zu erwarten

Im vorliegenden Fall habe sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner schriftlichen Eingaben aber bereits intensiv mit den Feststellungen des Gutachtens auseinander gesetzt. Weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse seien, so das OLG, darüber hinaus durch eine mündliche Erörterung der gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen nicht zu erwarten.

Entsprechend sei eine mündliche Anhörung in diesem Fall entbehrlich und verletze den Beschwerdeführer auch nicht in seinen Rechten.

Die Beschwerde wurde vor diesem Hintergrund kostenpflichtig abgewiesen.

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