Parteien einigen sich im Erbscheinverfahren durch einen Vergleich – Kann aus diesem Vergleich die Zwangsvollstreckung betrieben werden?
OLG München – Hinweisbeschluss vom 28.05.2020 – 31 Wx 126/20
- Streit im Erbscheinverfahren wird durch Vergleich beendet
- Eine Beteiligte will in der Folge aus dem Vergleich die Zwangsvollstreckung betreiben
- Vergleich im Erbscheinverfahren ist kein tauglicher Titel für die Zwangsvollstreckung
Das Oberlandesgericht München hatte im Zusammenhang mit einem Streit um einen Erbschein eine überaus praxisrelevante Frage zu klären.
In der Angelegenheit hatte ein Erblasser ein eher unklares privates Testament errichtet.
In dem Testament hatte der Erblasser eine Person A als seinen alleinigen Erben eingesetzt.
Wer soll das Haus des Erblassers erhalten?
Gleichzeitig hatte der Erblasser aber in seinem Testament bestimmt, dass sein wohl größter Vermögenswert, eine Immobilie, nach seinem Tod an die Personen B und C gehen soll.
Es kam, wie es kommen musste. A, B und C gerieten in Streit und dem Nachlassgericht lagen sich widersprechende Erbscheinsanträge des A und der B vor.
Sowohl der A als auch die B reklamierten dabei die Erbenstellung für sich.
Beteiligte schließen vor Gericht einen Vergleich
Vor dem Nachlassgericht kam es dann aber zu einem salomonischen Vergleich.
Die B verpflichtet sich in dem Vergleich, ihren eigenen Erbscheinsantrag zurückzunehmen und damit die Erbenstellung des A anzuerkennen.
Gleichzeitig verpflichtete sich der A in dem Vergleich zu folgendem:
Der A verpflichtet sich in Vollzug des Testaments der Erblasserin, der B die Hälfte des Eigentums an dem zum Nachlass gehörenden Grundbesitz bis spätestens 28.02.2018 unentgeltlich zu übertragen, die Auflassung zu erklären und die Eintragung in das Grundbuch zu beantragen.
In der Folge erhielt der A seinen Erbschein und die B eine vollstreckbare Ausfertigung des vor Gericht geschlossenen Vergleichs.
Vergleich wird vom Erben nicht erfüllt
Obwohl mit diesem Vergleich die wesentlichen Eckpunkte einer Lösung eigentlich skizziert waren, war die Angelegenheit noch nicht beendet.
In der Folge kam der A nämlich offenbar seiner im gerichtlichen Vergleich übernommenen Verpflichtung, der B die Hälfte des Eigentums an der Immobilie zu verschaffen, nicht nach.
Die B beantragte daher beim Nachlassgericht die Zwangsvollstreckung des vor Gericht geschlossenen Vergleichs nach § 887 ZPO.
Nachlassgericht will den Vergleich nicht vollstrecken
Das Nachlassgericht wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, dass der Vergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe.
Gegen diese Entscheidung legte die B sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.
Das OLG wies allerdings darauf hin, dass es der sofortigen Beschwerde kaum Aussicht auf Erfolg einräumen würde.
Grundsätzlich könnte zwar auch in einem Erbscheinsverfahren zwischen den Beteiligten ein Vergleich geschlossen werden.
Dabei könnten in einem solchen Vergleich auch Fragen wie z.B. die Zahlung einer Abfindung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses mit geregelt werden.
Wann ist ein Vergleich ein tauglicher Vollstreckungstitel?
Das OLG vertrat dann aber die (umstrittene) Auffassung, dass ein in einem Erbscheinverfahren abgeschlossener Vergleich kein Vollstreckungstitel i.S. von § 794 I Nr. 1 ZPO sei.
Ein vollstreckungsfähiger Vergleich würde voraussetzen, dass die Verfahrensbeteiligten „über den Verfahrensgegenstand im materiellen Sinn verfügen können.“
Dies verneinte das OLG in Bezug auf das Erbscheinerteilungsverfahren.
Darüber hinaus sah das OLG auch verfahrensrechtliche Schwierigkeiten, sollte man die Zwangsvollstreckung aus einem im Erbscheinverfahren geschlossenen Vergleich zulassen.
Im Ergebnis empfahl das OLG der Beschwerdeführerin, die sofortige Beschwerde zurückzunehmen.
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