Bei Wegfall des testamentarischen Erben greift nicht automatisch die gesetzliche Erbfolge ein
OLG Karlsruhe – Beschluss vom 11.Juni 2012 – 14 Wx76/11
- Im Testament eingesetzte Erbin verstirbt vor der Erblasserin
- Tochter der Erblasserin reklamiert nach dem Tod der Erblasserin Erbrecht für sich
- Gerichte lehnen die Erteilung eines Erbscheins für die Tochter der Erblasserin ab
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte die Erbfolge in einer Erbsache zu beurteilen, in der von der Erblasserin zwar ein formwirksames Testament errichtet worden war, die in dem Testament benannte Alleinerbin aber schon vor der Erblasserin verstorben war.
Der Ehemann der Erblasserin war bereits im Jahr 1990 vorverstorben. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten keine eigenen Kinder, sie hatten aber ein in der ehemaligen DDR geborenes Kind adoptiert. Die Erblasserin hatte am 10.03.2008 ein eigenhändiges Testament errichtet. In diesem letzten Willen setzte sie ihre Schwester A als Alleinerbin ein.
Adoptivkind findet im Testament keine Erwähnung
Das adoptierte Kind fand also in der Nachlassplanung der Erblasserin keine Berücksichtigung. Einen Ersatzerben benannte die Erblasserin in ihrem Testament nicht.
Die als Alleinerbin in dem Testament der Erblasserin bedachte Schwester A verstarb dann allerdings am 06.11.2010. Am 02.02.2011 verstarb dann auch die Erblasserin.
In der Folge stellte die adoptierte Tochter dann einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als gesetzliche Erbin nach dem Tod der Erblasserin ausweisen solle.
Nachlassgericht lehnt Erbscheinsantrag ab
Dieser Antrag wurde vom Nachlassgericht abgelehnt. Das Nachlassgericht vertrat die Auffassung, dass eine Auslegung des vorhandenen Testaments ergebe, dass nicht die Antragstellerin als adoptiertes Kind, sondern eine weitere Schwester B der Erblasserin alleinige Erbin sein soll.
Gegen diesen ablehnenden Beschluss des Nachlassgerichts legte die Antragstellerin Beschwerde zum OLG ein. Doch auch dort hatte sie mit ihrem Erbscheinsantrag nicht mehr Erfolg.
Das OLG teilte vielmehr die Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach die Erblasserin jedenfalls ihr adoptiertes Kind von der Erbfolge ausschließen wollte.
Die Antragstellerin hatte zu ihren Gunsten vor dem Gericht argumentiert, dass die Erblasserin in Kenntnis der Tatsache, dass ihre im Testament als Alleinerbin eingesetzte Schwester vorverstorben war, das Testament nicht abgeändert oder ergänzt habe. Auch habe die Erblasserin zu der Schwester B kein besonders enges Verhältnis gehabt.
Gilt die gesetzliche Erbfolge?
Aufgrund dieser Tatsachen komme, so die Antragstellerin, ein Auslegung des Testaments nicht in Frage. Im Ergebnis sei sie, die Antragstellerin, in Ermangelung einer testamentarischen Erbeinsetzung Alleinerbin kraft gesetzlicher Erbfolge geworden.
Diesen Argumenten konnte aber das OLG genauso wenig folgen wie schon das Amtsgericht.
In der Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass Zeugeneinvernahmen ergeben hätten, dass die Erblasserin zu ihrem adoptierten Kind zum einen seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr gehabt habe und zum anderen gegenüber Dritten deutlich gemacht habe, dass sie ihr adoptiertes Kind von der Erbfolge ausschließen wolle.
Diesen ausdrücklichen Wunsch habe die Erblasserin auch gegenüber ihrem Bankberater zum Ausdruck gebracht, den sie nach dem überraschenden Tod ihrer Schwester aufgesucht habe. Im Übrigen habe die Erblasserin auch zu der zweiten Schwester ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt.
OLG ermittelt den hypothetischen Willen der Erblasserin
Aus den Gesamtumständen sei zu schließen, dass es dem hypothetischen Willen der Erblasserin entsprochen hätte, ihre zweite Schwester als Erbin im Testament für den Fall zu benennen, dass die erste Schwester als Erbin ausfällt.
Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins des adoptierten Kindes wurde demnach auch vom OLG zurückgewiesen.
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