Der Vorerbe - Rechte und Pflichten des Vorerben
- Vorerbe muss mit der Vorerbschaft sorgfältig umgehen
- Vorerbe ist im Hinblick auf seine Verfügungsmacht beschränkt
- Vorerbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten
Hat sich der Erblasser dazu entschieden, in seinem Testament eine Vor- und Nacherbschaft anzuordnen, dann herrscht bei den betroffenen Erben oft zunächst einmal Konfusion.
Der Vorerbe fragt sich, ob er sich als "richtiger" Erbe betrachten kann oder ob er vielleicht nur Erbe "zweiter Klasse" geworden ist.
Tatsächlich ist die Stellung als Vorerbe dem Grunde nach eine vollwertige Erbenstellung. Der Vorerbe wird Inhaber des kompletten Nachlasses und er wird auch als Eigentümer einer im Nachlass befindlichen Immobilie in das Grundbuch eingetragen. Er ist für die Zeit der Vorerbschaft alleiniger Erbe und muss die Erbschaft in diesem Zeitraum mit niemandem teilen.
Gleichzeitig muss der Vorerbe aber auch einige Beschränkungen akzeptieren, die mit jeder Vorerbschaft verbunden sind.
Vorerbe muss die Erbschaft ordnungsgemäß verwalten
Der Vorerbe ist zwar vollwertiger Erbe, muss gleichzeitig die Erbschaft aber auch gleichsam wie ein Treuhänder für den Nacherben verwalten. Der Erblasser bestimmt in seinem Testament, wann der Vorerbe seine Erbschaft an den Nacherben herausgeben muss. Bis zu diesem Zeitpunkt darf der Vorerbe die Erbschaft zwar nutzen, er muss die Substanz der Erbschaft aber für den Nacherben erhalten, § 2111 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
Dieser Grundsatz, wonach der Vorerbe die Erbschaft in ihrer Substanz erhalten muss, wird durch eine Surrogationsvorschrift in § 2111 BGB gewährleistet. Alles was der Vorerbe mit Mitteln aus der Erbschaft erwirbt, gehört zum "Sondervermögen Erbschaft". Mit dem Erwerb des Gegenstandes mit Nachlassmitteln steht fest, dass der Gegenstand am Ende der Tage dem Nacherben gehören wird.
Bei der Verwaltung des Nachlasses und der damit verbundenen Haftung profitiert der Vorerbe von einem besonderen privilegierten Verschuldensmaßstab.
Nach § 2131 BGB hat der Vorerbe gegenüber dem Nacherben nur für die Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. In einem Gerichtsverfahren, bei dem der Nacherbe Haftungsansprüche gegen den Vorerben geltend macht, wird letzterer daher immer versuchen, den Richter davon zu überzeugen, dass er auch in eigenen Angelegenheiten absolut nachlässig zu handeln pflegt.
Der Vorerbe ist in seiner Verfügungsmacht beschränkt
Es wurde bereits erwähnt, dass der Vorerbe dem Grunde nach ein vollwertiger Erbe ist. Dementsprechend räumt ihm § 2112 BGB das Recht ein, über einzelne Nachlassgegenstände verfügen zu dürfen.
Gleichzeitig postuliert § 2112 BGB auch die entscheidende Einschränkung: Das Verfügungsrecht des Vorerben besteht nämlich nur, soweit sich aus §§ 2113 bis 2115 BGB nichts abweichendes ergibt.
In §§ 2113 bis 2115 BGB sind für den Vorerben Verfügungsbeschränkungen vorgesehen. So darf der Vorerbe zum Beispiel keine Nachlassgegenstände verschenken und ebenso wenig darf er über Nachlassimmobilien verfügen.
§ 2136 BGB sieht allerdings vor, dass der Erblasser den Vorerben von den meisten der in den §§ 2113 bis 2115 BGB vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen befreien kann.
Der Vorerbe erhält einen Erbschein
Nachdem der Vorerbe vollwertiger Erbe ist, erhält er auf Antrag hin vom Nachlassgericht auch einen Erbschein, der ihn als Erben ausweist.
Nach § 2363 Abs. 1 BGB enthält der dem Vorerben erteilte Erbschein aber den Hinweis, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist.
Der Vorerbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten
Der Vorerbe muss für Schulden des Erblassers und sonstige Nachlassverbindlichkeiten genauso wie jeder andere Erbe auch einstehen. Werden berechtigte Forderungen gegen den Nachlass (und den Vorerben) gestellt, so hat er sie zu erfüllen.
Der Vorerbe ist aber nicht dazu verpflichtet, vorfällig bereits Forderungen zu begleichen. Werden Forderungen gegen den Nachlass erst nach Eintritt des Nacherbfalls fällig, dann ist es Sache des Nacherben, sich darum zu kümmern.
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