Wurde zu Lebzeiten des Erblassers eine von ihm erteilte Vollmacht missbraucht? Erben können Geld auch von Miterben zurückfordern!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Bevollmächtigter muss den Erben genauso Rechenschaft ablegen, wie dem Erblasser
  • Eine Vollmacht stellt keinen Grund dar, Gelder des Erblassers behalten zu dürfen
  • Welchen Umfang eine Vollmacht hat, bestimmt alleine der Vollmachtgeber

Die Erteilung von Vollmachten noch zu Lebzeiten des zukünftigen Erblassers ist dem Grunde nach vernünftig.

In der Praxis erteilen immer mehr ältere Menschen ihren Kindern oder anderen nahe stehenden Personen Vollmachten, damit diese Rechtsgeschäfte für sie abwickeln können.

Solche Vollmachten können durch Vorsorgevollmachten für den Fall erteilt werden, dass der Erblasser selber nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Die Bevollmächtigung kann sich als so genannte Bankvollmacht auf reine Bankgeschäfte beziehen oder auch als Generalvollmacht die Befugnis zur Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte verschaffen.

Solche Vollmachten werden in der Praxis auch regelmäßig eingesetzt. In manchen Fällen geschieht dies aber nicht unbedingt im Sinne des Vollmachtgebers. Manch eine Vollmacht hat einen Bevollmächtigten zum Beispiel bereits dazu verleitet, ausschließlich im eigenen Interesse auf Konten des Vollmachtgebers zuzugreifen und dort abgehobene Gelder für sich zu behalten.

Missbrauch der Vollmacht ist nicht von Dauer

Solche Vorgänge können nach Eintritt des Erbfalls aber von den Erben wieder rückgängig gemacht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Missbrauch der Vollmacht von einem Miterben vorgenommen wurde, oder von einer dritten Person, die nicht Mitglied der Erbengemeinschaft ist.

Dreh- und Angelpunkt eines Anspruchs eines jeden Erben auf Herausgabe desjenigen, was ein Miterbe oder ein Dritter durch einen Missbrauch der Vollmacht erlangt hat, ist das Auftragsrecht des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Man unterstellt nämlich, dass der Erteilung einer Vollmacht durch den Erblasser an einen Miterben oder sonstigen Dritten ein Auftrag im Sinne des § 662 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zugrunde liegt.

Auftraggeber ist der Erblasser, Auftragnehmer der Bevollmächtigte, der vom Erblasser mit dem Recht ausgestattet wurde, für ihn tätig zu werden.

So ein Auftragsverhältnis ist aber rechtlich nicht unverbindlich, sondern bringt für den Bevollmächtigten Pflichten mit sich.

So hat sich der Bevollmächtigte an Weisungen des Vollmachtgebers zu halten, § 665 BGB, der Bevollmächtigte ist dem Vollmachtgeber gegenüber zur Auskunft und zur Rechenschaft verpflichtet, § 666 BGB und der Bevollmächtigte ist nach § 667 BGB vor allem verpflichtet alles, was er im Rahmen der Ausführung seines Auftrages erhält, an den Vollmachtgeber herauszugeben.

Nutzt also ein Bevollmächtigter zum Beispiel eine Bankvollmacht, um vom Erblasserkonto 10.000 Euro abzuheben, dann muss er diesen Geldbetrag, soweit er keine anderen Weisungen hat, beim Vollmachtgeber abliefern.

Mit Erbfall treten die Erben in die Rechtsposition des Vollmachtgebers ein

Verstirbt der Erblasser und Vollmachtgeber, dann erlöschen die Rechte aus dem Auftragsverhältnis nicht. Vielmehr treten der oder die Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers in dessen Position als Vollmachtgeber ein.

Das bedeutet, dass nunmehr die Erben gegen den Bevollmächtigten Ansprüche geltend machen können, wenn mittels der Vollmacht Dinge geschehen sind, die weder vom Willen des Erblassers noch der Erben gedeckt waren.

Insbesondere können Erben mit Hilfe des § 667 BGB unrechtmäßige Kontoverfügungen des Bevollmächtigten wieder rückgängig machen.

Hat ein Miterbe die ihm vom Erblasser erteilte Vollmacht missbraucht, so kann auch dieser Miterbe von jedem anderen Mitglied der Erbengemeinschaft nach § 2039 BGB auf Herausgabe des Erlangten in Anspruch genommen werden. Zu beachten ist dabei lediglich, dass eine Herausgabe des Erlangten nur an die Erbengemeinschaft und nicht an einen Erben persönlich gefordert werden kann.

Bevollmächtigte wenden regelmäßig Gefälligkeitsverhältnis ein

Dergestalt aus § 667 BGB in Anspruch genommene Bevollmächtigte führen in Gerichtsverfahren häufig ins Feld, dass das Auftragsrecht für sie gar nicht anwendbar sei. Vielmehr sei das Verhältnis zwischen ihnen und dem vollmachtgebenden Erblasser als reines Gefälligkeitsverhältnis zu werten, aus dem aber für den Bevollmächtigten keine Rechtspflichten resultieren.

Tatsächlich sind Gerichte einer solchen Argumentation in der Vergangenheit gefolgt und haben insbesondere bei der Einräumung von Kontovollmachten bei Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ein solches – rechtlich unverbindliches – Gefälligkeitsverhältnis bejaht (BGH, Urteil vom 5.7.2000, XII ZR 26/98 für Ehegatten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.3.2006, I-4 U 102/05 für die nichteheliche Lebensgemeinschaft).

In aller Regel gehen die Gerichte jedoch auch bei Fallgestaltungen mit familiären oder personalen Einschlag von dem Vorliegen eines – rechtlich verbindlichen – Auftragsverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem aus.

Der Vollmachtgeber kann Rechte aus Auftragsverhältnis ausschließen

Wenn der Vollmachtgeber und zukünftige Erblasser kein Interesse an einer möglichen Rückabwicklung von Rechtsgeschäften hat, die der Bevollmächtigte für ihn vornimmt, dann steht es dem Erblasser frei, dies in der Vollmacht ausdrücklich anzuordnen.

Soweit der Erblasser selber auf Rechte aus den §§ 662 ff. BGB verzichtet, können diese Rechte auch von seinen Erben nicht mehr geltend gemacht werden.

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