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Vermächtnisgegenstand wird vier Monate vor dem Erbfall verkauft – Bekommt der Vermächtnisnehmer den Verkaufserlös?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Koblenz – Beschluss vom 26.11.2020 – 12 U 140/20

  • Im Testament findet sich ein Vermächtnis über einen PKW VW Polo
  • Der PKW wird aber vor dem Erbfall für 10.500 Euro verkauft
  • Der Vermächtnisnehmer beansprucht den Verkaufserlös nach dem Erbfall für sich

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte die Frage zu klären, ob einem Vermächtnisnehmer ein Anspruch auf den Verkaufserlös hat, wenn der Vermächtnisgegenstand vier Monate vor dem Erbfall von der späteren Erblasserin verkauft wurde.

In der Angelegenheit hatte die spätere Erblasserin am 10.12.2009 ein notarielles Testament errichtet.

In diesem Testament wandte die spätere Erblasserin ihrem Lebensgefährten durch Vermächtnis einen PKW VW Polo zu.

Die Kinder der Erblasserin werden im Testament als Erben eingesetzt

Als Erben wurden in dem Testament die Kinder der späteren Erblasserin eingesetzt.

Testamentsvollstrecker sollte der Lebensgefährte der späteren Erblasserin sein.

Vier Monate vor ihrem Ableben veräußerte die spätere Erblasserin das fragliche KFZ für einen Preis von 10.500 Euro.

Nach dem Ableben der Erblasserin musste der Lebensgefährte der Erblasserin konstatieren, dass sich der ihm durch Vermächtnis zugewandte PKW nicht mehr im Nachlass befindet.

Testamentsvollstrecker überweist Geld an sich selber

Als Ausgleich nutzte der Lebensgefährte der Erblasserin seine Macht als Testamentsvollstrecker und überwies sich von Nachlasskonten einen Betrag in Höhe von 10.500 Euro, den Erlös für den von der Erblasserin veräußerten PKW.

Der Lebensgefährte der Erblasserin vertrat insoweit die Auffassung, dass ihm dieser Geldbetrag gleichsam als Ersatz für den entgangenen PKW zustehe.

Gänzlich anderer Auffassung war in dieser Frage allerdings eine Tochter der Erblasserin.

Erbin erhebt Klage gegen den Lebensgefährten der Erblasserin

Die Tochter verklagte den Lebensgefährten der Erblasserin auf Rückzahlung der 10.500 Euro.

Vor dem Landgericht bekam die Tochter der Erblasserin Recht. Der Lebensgefährte der Erblasserin wurde zur Rückzahlung der von ihm eigenmächtig vereinnahmten 10.500 Euro verurteilt.

Eine vom Lebensgefährten der Erblasserin gegen das Urteil aus erster Instanz eingelegte Berufung blieb erfolglos.

OLG: Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ist aussichtslos

Das Oberlandesgericht ließ den Lebensgefährten der Erblasserin wissen, dass die Berufung des Lebensgefährten der Erblasserin keine Aussicht auf Erfolg habe.

Das OLG wies vielmehr darauf hin, dass das zugunsten des Lebensgefährten im Testament der Erblasserin ausgesetzte Vermächtnis nach § 2169 Abs. 1 BGB unwirksam war, da sich der vermachte Vermögensgegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls unstreitig nicht mehr im Nachlass befunden habe.

Auch einen Anspruch nach § 2169 Abs. 3 BGB sah das OLG nicht als gegeben.

Nach dieser Vorschrift gilt im Zweifel, so das OLG, der Anspruch auf Ersatz des Wertes als vermacht, wenn der Gegenstand dem Erblasser entzogen oder untergegangen ist.

Auch eine ergänzende Testamentsauslegung hilft nicht weiter

Der vermachte VW Polo war der Erblasserin aber nicht entzogen worden und ebenfalls war er nicht untergegangen, vielmehr war der PKW von der Erblasserin veräußert worden.

Schließlich kam das OLG auch zu dem Schluss, dass auch eine ergänzende Testamentsauslegung nicht zu einem Anspruch des Lebensgefährten der Erblasserin führen würde.

Soweit der Vermächtniszweck in erster Linie auf die Zuwendung eines wirtschaftlichen Wertes gerichtet sei, könne man in Fällen wie dem vorliegenden erwägen, den Veräußerungserlös als mit dem Vermächtnis zugewandt anzusehen.

Erblasserin wollte ihren Lebensgefährten nicht weiter absichern

Hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Auslegung des Testaments konnte das OLG aber nicht erkennen.

Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, dass dem Lebensgefährten der Erblasserin mit dem Erbfall ohnehin ein Sparbuch mit einem Wert von 25.000 Euro zugefallen war.

Über diese Zuwendung hinaus hatte die Erblasserin, so die Feststellungen des OLG, nicht die Absicht gehabt, ihren Lebensgefährten weiter abzusichern.

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