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Die als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau stirbt vor dem Erblasser – Werden nun die Schwestern der Ehefrau Erben?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 11.12.2014 – 31 Wx 379/14

  • Ehemann setzt in Testament seine Ehefrau als alleinige Erbin ein
  • Ehefrau verstirbt vor dem Ehemann
  • Schwestern der Ehefrau wollen nach dem Tod des Ehemannes das Testament zu ihren Gunsten auslegen

Das Oberlandesgericht München hatte in einem Erbscheinverfahren über die Auslegung eines Testaments zu befinden.

Es ging in der Sache um viel Geld. Der Nachlasswert belief sich auf über 4 Millionen Euro.

Der Erblasser war im Oktober 2013 im Alter von 71 Jahren verstorben. Er hatte im Jahr 1988 ein Testament verfasst. In diesem Testament bestimmte er, dass seine Ehefrau Alleinerbin werden sollte. Im Oktober 2010 hatte der Erblasser einen Schlaganfall erlitten und konnte seit diesem Zeitpunkt weder schreiben noch sprechen.

Im Testament sind keine Ersatzerben benannt

Die Ehefrau war nur bereits im März 2012 vorverstorben. Nachdem der Erblasser in seinem Testament für diesen Fall, beispielsweise durch die Benennung eines Ersatzerben, keine Vorsorge getroffen hatte, konnte das Testament für die Regelung der Erbfolge unmittelbar nichts beitragen.

Gesetzliche Erben des Erblassers konnten bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht ermittelt werden, sodass viel dafür sprach, dass das Vermögen des Erblassers am Ende an den Staat als gesetzlichen Erben fallen würde.

Mit einer solchen Lösung waren die Schwestern der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers allerdings nicht einverstanden. Die gesamte Familie der Schwester stand offenbar zu dem Erblasser in einem sehr engen und regelmäßigen Kontakt.

Reichen soziale Beziehungen für eine Erbeinsetzung?

Dies äußerte sich darin, dass der Erblasser zu Lebzeiten mit seiner Ehefrau auf zahlreichen Familienfesten zugegen war und auch gemeinsame Skiurlaube von dem Erblasser mit der Familie seiner Ehefrau verbracht wurden.

Der Erblasser habe weiter, so der Vortrag der Schwestern der vorverstorbenen Ehefrau, mit ihnen und ihren Kindern regelmäßig telefoniert. Schließlich habe sich der Erblasser auch einmal dahingehend geäußert, dass die Familie seiner Ehefrau seine eigentliche Familie sei.

All diese Umstände veranlassten eine Schwester der vorverstorbenen Ehefrau nach dem Tod des Erblassers beim Nachlassgericht einen Erbschein zu beantragen, der die beiden Schwestern der vorverstorbenen Ehefrau als je hälftige Erben des Erblassers ausweisen sollte.

Der antragstellenden Schwester war dabei selbstverständlich bewusst, dass das Testament aus dem Jahr 1988 unmittelbar die von ihr gewünschte Rechtsfolge nicht hergeben würde. Sie vertrat deswegen gegenüber dem Nachlassgericht die Auffassung, dass das Testament des Erblassers ergänzend ausgelegt werden müsse.

Schwestern der Ehefrau beantragen einen Erbschein

Wenn der Erblasser bei Abfassung seines Testaments bedacht hätte, dass seine Ehefrau vor ihm verstirbt, hätte er, so der Vortrag der Antragstellerin, die Schwestern der Ehefrau als Ersatzerben benannt.

Der vom Nachlassgericht für den vorübergehend erbenlosen Nachlass eingesetzte Nachlasspfleger trat diesem Erbscheinantrag der Schwester entgegen. Er verwies darauf, dass der Erblasser Volljurist gewesen sei und sein Testament bei Bedarf einfach um eine Ersatzerbenbestimmung hätte ergänzen können.

In dem Testament finde sich, so der Pfleger, vielmehr nicht der Hauch einer Andeutung, dass es dem Wille des Erblassers entsprochen habe, sein Vermögen ersatzweise an die Schwestern seiner Ehefrau zu geben. Die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung des Testaments lehnte der Nachlasspfleger als unzutreffend ab.

Das Nachlassgericht schloss sich diesen Bedenken an und lehnte den Erbscheinsantrag ab. Hiergegen erhob die Schwester der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht. Dort konnte man dem Erbscheinsantrag aber auch nichts abgewinnen und wies die Beschwerde zurück.

OLG: Das Testament hat keine planwidrige Lücke

In der Begründung seiner Beschwerdeentscheidung verwies das OLG grundlegend darauf, dass die Auslegung eines Testaments eine planwidrige Lücke voraussetzen würde, die durch den im Zweifel vom Gericht festzustellenden Willen des Erblassers zu schließen sei.

Entscheidend sei, dass für das Gericht eine Willensrichtung beim verstorbenen Erblasser erkennbar sei, die in Richtung auf die vorgetragene Auslegung des Testaments gehe. Es müsse entweder durch Umstände außerhalb des Testaments oder aufgrund der „allgemeinen Lebenserfahrung“ feststellbar sein, dass der Erblasser den Willen gehabt habe, in dem von der Schwester der Ehefrau vorgetragenen Sinn zu testieren.

Hierfür konnte das Gericht aber trotz des umfangreichen Vortrages der Antragstellerin keine Anhaltspunkte erkennen.

Den Ausschlag für diese Einschätzung des Gerichts gab am Ende wohl auch die Einvernahme mehrerer Zeugen, die wohl bestätigen konnten, dass der Erblasser seine Ehefrau als Alleinerbin vorgesehen habe, die aber keine definitive Aussage dazu machen konnten, dass der Erblasser den Willen gehabt habe, dass ersatzweise seine beiden Cousinen Erbinnen seines Vermögens werden sollten.

In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für ihre Erbeinsetzung lehnte das OLG mithin den Erbscheinsantrag der Schwester endgültig ab. Für die Erbfolge galt das gesetzliche Erbrecht, das am Ende auch auf den Staat als Erben hinauslaufen konnte.

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