Erben eines Millionenvermögens sind unbekannt – Finanzamt kann die Anzahl der Erben schätzen und die Erbschaftsteuer vorläufig festsetzen!
FG Düsseldorf – Urteil vom 09.08.2017 – 4 K 442/16 Erb
- Nachlasspfleger soll die unbekannten Erben eines Millionenvermögens ermitteln
- Vor Abschluss der Erbenfeststellung erlässt das Finanzamt auf geschätzter Grundlage einen Steuerbescheid
- Finanzgericht bestätigt die Möglichkeit der Schätzung durch das Finanzamt
Das Finanzgericht Düsseldorf hatte über die Frage zu befinden, ob das Finanzamt die Erbschaftsteuer festsetzen kann, obwohl die Anzahl der Erben ebenso unbekannt ist wie die Freibeträge, die die Erben in Anspruch nehmen können.
In der Angelegenheit hatte der Erblasser seine Schwester mit notariellem Testament vom 17.12.1996 als alleinige Erbin eingesetzt.
Die Schwester verstarb allerdings vor dem Erblasser am 09.05.2011.
Nach dem Tod des Erblassers am 27.02.2014 musste das Nachlassgericht erst einmal ermitteln, wer Erbe des Erblassers geworden war. Das Gericht setzte zu diesem Zweck einen Nachlasspfleger ein. Diesen Nachlasspfleger beauftragte das Nachlassgericht mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie mit der Ermittlung der Erben.
Am 23.09.2014 gab der Nachlasspfleger, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Erben ermittelt hatte, beim Finanzamt für den Nachlass eine Erbschaftsteuererklärung ab. Aufgrund dieser Meldung sowie weiterer Informationen musste das Finanzamt von einem Nachlasswert in Höhe von 1.821.641 Euro ausgehen.
Finanzamt erlässt Erbschaftsteuerbescheid
Am 27.04.2015 erreichte den Nachlasspfleger ein Erbschaftsteuerbescheid des Finanzamts. Dieser Bescheid war gegen die unbekannten Erben gerichtet. Aus dem Bescheid ging hervor, dass das Finanzamt bei der Besteuerung bei einem Reinnachlass von 1.502.700 Euro im Wege der Schätzung von 20 unbekannten Erben mit gleichen Erbanteilen der Steuerklasse III ausgegangen war.
Mit dem Steuerbescheid forderte das Finanzamt vom Nachlasspfleger einen Betrag in Höhe von 330.810 Euro. Das Finanzamt stellte dabei klar, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und nach § 165 Abs. 1 AO nur vorläufig ergangen sei.
Das Finanzamt wies in dem Bescheid darauf hin, dass die Besteuerung erfolge, da die Ermittlung der Erben durch den Nachlasspfleger noch nicht abgeschlossen sei.
Von diesem Vorgehen des Finanzamts fühlte sich der Nachlasspfleger offenbar überrumpelt und legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass das Finanzamt solange keinen Bescheid erlassen könne, als die die Bemessungsgrundlagen im Einzelfall nicht feststünden.
Erben mit unterschiedlichen Erbteilen und verschiedenen Steuerfreibeträgen
Es sei absehbar, so der Nachlasspfleger weiter, dass es Erben gebe, deren Erbschaft wertmäßig die diesen Erben zustehenden Freibeträge nicht übersteige. Diese Erben trotzdem mit einer vorläufig geschätzten Erbschaftsteuer zu behelligen, sei nicht vertretbar.
Weiter ließ der Nachlasspfleger das Finanzamt wissen, dass nicht von nur 20 Erben auszugehen sei, sondern am Ende mit mindestens 30 Erben zu rechnen sei.
Im Übrigen sei, so der Nachlasspfleger, die Besteuerung unbekannter Erben unzulässig, „da Unbekannte nicht an einem Steuerschuldverhältnis beteiligt sein könnten.“
Auf diese Einwände reagierte das Finanzamt dergestalt, dass es einen geänderten Bescheid ausgehend von 30 Erben mit gleichen Erbanteilen der Steuerklasse III erließ. Dieser Steuerbescheid schloss mit einer Steuerforderung in Höhe von 265.500 Euro.
Den weitergehenden Einspruch des Nachlasspflegers wies das Finanzamt zurück.
Gegen die Entscheidung des Finanzamtes erhob der Nachlasspfleger daraufhin Klage zum Finanzgericht.
Finanzgericht weist Klage als unbegründet ab
Das Finanzgericht wies die Klage allerdings als unbegründet ab.
Das Finanzgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass auch für „die unbekannten Erben … die Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers entstanden“ sei, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Sämtliche Nachlassverbindlichkeiten seien, so das Gericht, beglichen und es verbleibe noch ein erhebliches unter den Erben zu verteilendes Vermögen. Einen Grund, die Erbschaft auszuschlagen, gebe es für die Erben nicht.
Auch unbekannte Erben könnten Beteiligte eines Steuerschuldverhältnisses sein. Bei unbekannten Erben sei der Steuerbescheid, wie vorliegend geschehen, dem Nachlasspfleger bekannt zu machen.
Das Finanzamt müsse sich auch nicht mit der Anforderung einer Sicherheitsleistung nach § 32 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 3 ErbStG begnügen, sondern könne die Steuer direkt gegen die unbekannten Erben festsetzen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt von insgesamt 30 Erben ausgegangen sei und diese 30 Erben einer gleichmäßigen Besteuerung unterworfen habe.
Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO könne das Finanzamt auch die Zahl der Erben, die Höhe der Freibeträge und „bei gesetzlicher Erbfolge im Streitfall auch eine Schätzung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eingruppierung der Erben in die verschiedenen Steuerklassen nach § 15 ErbStG“ vornehmen.
Auch in Erwartung der Tatsache, dass auf die diversen Erben unterschiedliche Erbteile entfallen werden, durfte das Finanzamt, so die Meinung des Gerichts, für die Schätzung von gleich hohen Erbteilen ausgehen.
Ob diese Entscheidung bestand hat, wird eine zum BFH eingelegte Revision ergeben.
Update: Die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf wurde durch den BFH mit Urteil vom 17.06.2020 als unbegründet zurückgewiesen.
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