Nachlasspfleger kann eingesetzt werden, wenn der Erbe unbekannt oder unklar ist, ob die Erbschaft überhaupt angenommen wurde!
KG – Beschluss vom 27.08.2021 – 19 W 120/21
- Erblasser hinterlässt eine Mietwohnung und erhebliche Mietschulden
- Gesetzliche Erben schlagen die Erbschaft aus
- Vermieter des Erblassers beantragt die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft
Das Kammergericht hatte über die Frage zu befinden, ob nach einem Erbfall eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden muss.
In der Angelegenheit war ein Erblasser im Jahr 2019 verstorben, ohne große Reichtümer zu hinterlassen.
Der Erblasser hatte bis zuletzt in einer Mietwohnung einer Seniorenresidenz gelebt. Dort hatte der Erblasser Mietrückstände in Höhe von fast 5.000 Euro.
Nachlassgericht sucht nach gesetzlichen Erben
Nachdem der Erblasser kein Testament hinterlassen hatte, machte sich das zuständige Nachlassgericht auf die Suche nach möglichen gesetzlichen Erben.
Das Nachlassgericht wurde bei der Suche nach Erben auch fündig.
So wurden als mögliche Erben unter anderem eine minderjährige Tochter eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers, ein weiterer Bruder des Erblassers mitsamt eigenen Kindern und Enkelkindern sowie ein Neffe des Erblassers mütterlicherseits ermittelt.
Gesetzliche Erben wollen mit der Erbschaft nichts zu tun haben
All diese in Frage kommenden gesetzlichen Erben erklärten jedoch gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung bzw. die Anfechtung der Annahme der Erbschaft.
Die Klärung der (zweifelhaften) Frage, ob die diversen Ausschlagungserklärungen von den Betroffenen jeweils rechtzeitig vorgenommen worden waren, wollte das Nachlassgericht erst im Rahmen eines Erbscheinverfahrens vornehmen.
Dann meldete sich die ehemalige Vermieterin des Erblassers bei dem Nachlassgericht und beantragte die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft.
Vermieterin benötigt einen Ansprechpartner für die Räumung der Wohnung
Die Vermieterin argumentierte, dass sie für Fragen der Kündigung und Räumung der Mietwohnung nach dem Tod des Erblassers einen Ansprechpartner benötige.
Auf diesen Antrag hin reagierte das Nachlassgericht mit einem Schreiben an die Vermieterin, mit dem das Nachlassgericht „als Vertreter der unbekannten Erben“ das Mietverhältnis des Erblassers kündigte.
Im Übrigen empfahl das Nachlassgericht der Vermieterin, von ihrem Vermieterpfandrecht Gebrauch zu machen, um auf diesem Weg rückständige Mietforderungen auszugleichen.
Nachlassgericht verweigert die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft
Die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft lehnte das Nachlassgericht aber ab, da nicht ungewiss sei, wer Erbe des Erblassers geworden sei.
Gegen diese Weigerung des Nachlassgerichts, eine Nachlasspflegschaft einzurichten, legte die Vermieterin Beschwerde zum Kammergericht ein.
Das Kammergericht gab dieser Beschwerde statt und wies das Nachlassgericht an, einen Nachlasspfleger einzusetzen.
Nachlasspfleger ist einzusetzen, wenn die Erben unbekannt sind
Zur Begründung seiner Entscheidung wies das KG darauf hin, dass nach § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB in Nachlasspfleger dann einzusetzen sei, wenn in einem Erbfall der Erbe unbekannt ist oder wenn ungewiss ist, ob der Erbe die Erbschaft angenommen habe.
Als unbekannt sei ein Erbe dann anzusehen, wenn der Erbe noch nicht feststeht.
Es genüge dabei, wenn ein Erbe aus Sicht des Nachlassgerichts mit hoher Wahrscheinlichkeit feststehe.
Unsicherheit über die Person des Erben
Diese Voraussetzung sah das KG in dem zu entscheidenden Fall aber nicht als gegeben an.
Es sei, so das KG, aufgrund der zahlreichen Ausschlagungserklärungen der gesetzlichen Erben durchaus ungewiss, wer Erbe sei. Gegebenenfalls müsse auch das Erbrecht des Staates angenommen und festgestellt werden.
In Anbetracht dieser Unsicherheit habe die Vermieterin ein berechtigtes Interesse an der Einrichtung einer Nachlasspflegschaft, um einen Ansprechpartner für offene Mietzinsforderungen und die Räumung der Mietwohnung des Erblassers zu haben.
Vor diesem Hintergrund wies das KG das Nachlassgericht an, für die zügige Einsetzung eines Nachlasspflegers zu sorgen.
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