Miterbin darf als Testamentsvollstreckerin eine Nachlassimmobilie an sich und einen ihrer Brüder übertragen

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 16.11.2017 – 34 Wx 266/17

  • Testamentsvollstreckerin ist Miterbin und überträgt eine Nachlassimmobilie an sich selber
  • Weitere Miterben monieren einen zu niedrigen Kaufpreis
  • OLG hebt Entscheidung des Grundbuchamtes auf

Das Oberlandesgericht München hatte über die Frage zu befinden, ob eine Miterbin, die gleichzeitig Testamentsvollstreckerin war, eine im Nachlass befindliche Immobilie an sich und einen ihrer Brüder übertragen darf.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 20.06.2011 ein gemeinsames Testament errichtet. Nach den Bestimmungen in diesem Testament sollten nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners die vier Kinder des Ehepaares zu gleichen Teilen erben.

Gleichzeitig war eine Tochter des Ehepaares in dem Testament zur Testamentsvollstreckerin ernannt worden. Die Eltern hatten dieser einen Tochter die Aufgabe zugewiesen, den Nachlass abzuwickeln und unter den vier Kindern zu verteilen.

Testamentsvollstreckerin erhält weitreichende Befugnisse

Die Eltern hatten in ihrem Testament auch angeordnet, dass die Testamentsvollstreckerin bei ihrer Tätigkeit – soweit möglich – von allen Beschränkungen befreit sein solle, so auch von der Beschränkung in § 181 BGB. Der Testamentsvollstreckerin sollte es mithin nach dem Willen ihrer Eltern möglich sein, auch Rechtsgeschäfte mit sich selber zu tätigen, indem sie auf der einen Seite als Testamentsvollstreckerin und auf der anderen Seite als Privatperson tätig wird.

Die Mutter war vorverstorben. Nach dem Tod des Vaters beantragten und erhielten die vier Kinder einen Erbschein, der sie als Erben zu je ¼ auswies. Die als Testamentsvollstreckerin eingesetzte Miterbin erhielt ein Testamentsvollstreckerzeugnis.

Ende 2016 veräußerte die als Testamentsvollstreckerin eingesetzte Miterbin mit notariellem Vertrag ein im Nachlass befindliches Grundstück an sich und einen ihrer Brüder für einen Kaufpreis von 345.000 Euro.

Kaufpreis wird durch Gutachten fixiert

Die Höhe dieses Kaufpreises hatte die Testamentsvollstreckerin zuvor von einem Sachverständigen durch ein Wertgutachten feststellen lassen.

Nachfolgend wurde beim Grundbuchamt beantragt, das Grundbuch auf die Testamentsvollstreckerin und ihren Bruder als neue Eigentümer umzuschreiben.

Die beiden an dem Immobilien-Deal nicht beteiligten Geschwister protestierten allerdings beim Grundbuchamt und trugen dort vor, dass der Kaufpreis für die Immobilie zu niedrig sei. Sie legten dem Grundbuchamt ein eigenes Gutachten vor, dem ein Verkehrswert der Immobilie in Höhe von 375.000 Euro zu entnehmen war.

Das Grundbuchamt wies daraufhin den Antrag der Testamentsvollstrecker-Erbin und ihres Bruders auf Grundbuchberichtigung zurück. In Anbetracht der voneinander abweichenden Gutachten hatte das Grundbuchamt Bedenken, ob das Immobiliengeschäft nicht zumindest zum Teil als unentgeltlich anzusehen sei.

Beschwerde gegen die Weigerung des Grundbuchamtes

Gegen diese Entscheidung des Grundbuchamts legte die Testamentsvollstrecker-Erbin und ihr Bruder Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Die Beschwerde hatte auch Erfolg.

Das OLG führte in seiner Entscheidung aus, dass es dem Grundbuchamt bei Immobiliengeschäften durch einen Testamentsvollstrecker durchaus obliege nachzuprüfen, ob nach § 2205 Satz 3 BGB eine (auch nur zum Teil) unentgeltliche – und damit unzulässige – Verfügung durch den Testamentsvollstrecker vorliege.

Auch müsse das Grundbuchamt gerade bei Verfügungen des Testamentsvollstreckers an sich selber prüfen, ob die Verfügung von der Vollmacht des Testamentsvollstreckers gedeckt ist.

Im zu entscheidenden Fall habe sich die Testamentsvollstreckerin aber innerhalb dieser ihr gesetzten Grenzen bewegt.

Testamentsvollstrecker muss die fehlende Gleichwertigkeit erkennen

Die Tatsache, dass das zweite, von den Geschwistern der Testamentsvollstreckerin eingeholte Gutachten zu einem höheren Verkehrswert der Immobilie gekommen war, sei, so das OLG, unschädlich. Erforderlich für einen Verstoß gegen § 2205 Satz 3 BGB sei nämlich jedenfalls, dass „der Testamentsvollstrecker subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen“. 

Die Testamentsvollstreckerin habe sich aber im vorliegenden Fall, so das OLG, auf das von ihr selber eingeholte Sachverständigengutachten verlassen können. Auch die vom zweiten Gutachter festgestellte Wertdifferenz sei nicht so erheblich, dass man annehmen müsste, dass die Testamentsvollstreckerin die Verfügung über das Grundstück in dem Bewusstsein vorgenommen habe, dass sie teilweise unentgeltlich verfügt.

Im Ergebnis wurde das Grundbuchamt vom OLG angewiesen, die beantragte Grundbuchumschreibung vorzunehmen oder zumindest nicht aus den Gründen abzulehnen, die das Grundbuchamt bisher vorgetragen hatte. 

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