Nachlassgericht muss sich im Erbscheinsverfahren mit einer Beschwerde auseinandersetzen, bevor es die Sache dem Beschwerdegericht vorlegt
OLG München – Beschluss vom 13.09.2016 – 31 Wx 99/16
- Nachlassgericht hält das Verhalten einer Antragstellerin für widersprüchlich
- OLG rügt schwerwiegenden Verfahrensmangel
- Angelegenheit muss vom Nachlassgericht nochmals bearbeitet werden
In einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins hat sich das Nachlassgericht München eine durchaus deutliche Rüge des Oberlandesgerichts München eingefangen.
In der Angelegenheit hatte eine Erbin in einer Nachlassangelegenheit im Februar 2015 beim Nachlassgericht die Erteilung eines Teilerbscheins beantragt, der sie als Erbin zu ½ ausweisen sollte.
Die Antragstellerin stützte das geltend gemachte Erbrecht auf die gesetzliche Erbfolge. Sie trug vor, dass ein existierendes Testament ungültig sei.
Nachlassgericht lehnt Erbscheinsantrag ab
Das Nachlassgericht nahm in der Folge Ermittlungen auf und stellte fest, dass es neben der Antragstellerin noch weitere gesetzliche Erben gibt. Das Nachlassgericht teilte der Antragstellerin daraufhin mit, dass es den Erbscheinsantrag abzulehnen gedenke, da die Antragstellerin lediglich Erbin zu ¼ geworden sei.
Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts erhob die Antragstellerin Beschwerde. Sie ließ das Nachlassgericht wissen, dass sie ihr Erbrecht jetzt doch auf das Testament stützen würde. Aus diesem Testament ergebe sich ihre Stellung als hälftige Erbin.
Das Nachlassgericht half dieser Beschwerde mit der Begründung, dass das Verhalten der Antragstellerin widersprüchlich sei, nicht ab und legte die Angelegenheit dem OLG München als Beschwerdegericht vor.
Verfahren vor dem Nachlassgericht war fehlerhaft
Das OLG entschied, dass die Beschwerde auch begründet sei, da das Verfahren vor dem Nachlassgericht „an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel“ leiden würde.
Zweck des dem eigentlichen Beschwerdeverfahren vorgeschalteten Abhilfeverfahrens sei es, so das OLG, dass „das Ausgangsgericht seine Entscheidung noch einmal überprüft“ und der Beschwerde gegebenenfalls abhilft, bevor sich das Beschwerdegericht mit ihr befasst.
Das Ausgangsgericht müsse sich mit der erhobenen Beschwerde jedenfalls sachlich auseinander setzen.
Diesen Anforderungen sei das Nachlassgericht im zu entscheidenden Fall nicht gerecht geworden.
Nachlassgericht hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln
Das Nachlassgericht habe sich, so das OLG, mit dem erstmals in der Beschwerde vorgetragenen Argumenten der Antragstellerin, wonach das vorliegende Testament für die Erbfolge maßgeblich sei, überhaupt nicht auseinander gesetzt. Es habe hierzu vielmehr lediglich bemerkt, dass das Verhalten der Antragstellerin „widersprüchlich“ sei.
Das Nachlassgericht hätte, so das OLG, zumindest zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob sich das geltend gemachte Erbrecht aus dem Gesetz oder eben aus dem Testament ergibt.
Im Rahmen des bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes hätte sich das Nachlassgericht Feststellungen über die Wirksamkeit oder eben die Unwirksamkeit des vorliegenden Testaments treffen müssen.
Das OLG hob mithin die Abhilfeentscheidung auf und verwies die Sache zur abermaligen Sachbehandlung an das Nachlassgericht zurück.
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