Miterbe hat das Recht in das Grundbuch Einsicht zu nehmen, um Ausgleichsansprüche gegen Geschwister als Miterben zu überprüfen

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Braunschweig – Beschluss vom 11.06.2019 – 1 W 41/19

  • Mutter überträgt an eines ihrer Kinder eine Immobilie
  • Nach dem Tod der Mutter will ein anderes Kind Details zu dem Immobiliendeal erfahren
  • Grundbuchamt verweigert dem Kind zunächst die angeforderten Informationen

Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte darüber zu befinden, ob einem Erben ein Anspruch auf Einsicht in das Grundbuch zusteht, um auf diesem Weg einen möglichen Ausgleichsanspruch gegen seine miterbende Schwester zu überprüfen.

Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt war relativ übersichtlich.

Ein Ehepaar hatte sich gegenseitig in einem Testament für den ersten Erbfall als alleinige Erben eingesetzt. Für den zweiten Erbfall bestimmten die Eheleute ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben.

Mutter überträgt Immobilie an eines von drei Kindern

Der Ehemann verstarb im Jahr 2013.

Im gleichen Jahr hatte die alleinerbende Mutter ein zum Nachlass zählendes Hausgrundstück auf eines der Kinder, eine Tochter, übertragen. Die Tochter veräußerte das Grundstück kurz darauf an einen Erwerber.

Die Mutter verstarb im Jahr 2018.

Nach dem Tod der Mutter wollte ein Sohn den Immobiliengeschäften der Mutter wie auch seiner Schwester und Miterbin auf den Grund gehen.

Antrag auf Einsicht in das Grundbuch

Er beantragte daher beim zuständigen Grundbuchamt die Erteilung eines Grundbuchauszuges für die im Jahr 2013 übertragene Immobilie. Gleichzeitig begehrte er Einsicht in die Verträge, die die Mutter mit seiner Schwester und die Schwester mit dem Erwerber abgeschlossen hatte.

Das Grundbuchamt hatte gegen dieses Informationsbegehren rechtliche Bedenken und erteilte nach einigem Hin und Her lediglich einen gekürzten und teilweisen Grundbuchauszug. Weitere Informationen und insbesondere Kopien der zugrundeliegenden Verträge wurden nicht erteilt.

Hiergegen legte der betroffene Miterbe Beschwerde zum Oberlandesgericht ein und bekam dort auch vollumfänglich Recht.

OLG weist das Grundbuchamt an, Einsicht zu gewähren

Das Grundbuchamt wurde vom OLG angewiesen, sowohl einen vollständigen Grundbuchauszug zu erteilen als auch die Verträge zwischen Mutter und Tochter bzw. Tochter und Erwerber offenzulegen.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die Einsicht in das Grundbuch jedem gestattet ist, der gegenüber dem Grundbuchamt ein berechtigtes Interesse darlegt.

Ein solches berechtigtes Interesse sah das OLG bei dem Antragsteller gegeben, da er neben seinen beiden Geschwistern Miterbe geworden war und Miterben lebzeitige Zuwendungen ihrer Eltern nach den §§ 2050 ff. BGB unter Umständen auszugleichen haben.

Ausgleichspflicht zwischen den Kindern muss geklärt werden

Schwester, die im Jahr 2013 von ihrer Mutter das Grundstück erhalten hatte, sei unter Umständen gegenüber ihrem Bruder ausgleichspflichtig.

Um diese Frage zu klären, müsse der Antragsteller Informationen zum Inhalt der Immobiliengeschäfte aus dem Jahr 2013 bekommen.

Das OLG zog hier eine Parallele zum Grundbucheinsichtsrecht eines Pflichtteilsberechtigten.

Auch die Verträge müssen vorgelegt werden

Ebenfalls stellte das OLG fest, dass sich das Informationsrecht des Antragstellers auch auf die abgeschlossenen Verträge beziehe, da insoweit das Interesse an der Grundbucheinsicht dem Recht auch des Erwerbers der Immobilie auf informationelle Selbstbestimmung und Geheimhaltung seiner Daten vorgehe.

Schließlich hielt das OLG noch fest, dass sich der Antragsteller nicht auf sein Auskunftsrecht nach § 2057 BGB verweisen lassen muss, da sein Grundbucheinsichtsrecht selbständig neben dem Recht aus § 2057 BGB stehe.

Im Ergebnis musste das Grundbuchamt demnach dem Antragsteller umfassende Informationen erteilen.

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