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Nachlassrichtern in Niedersachsen fehlt es zum Teil  an Grundkenntnissen des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts ebenso … wie an der Bereitschaft, sich diese Kenntnisse zu verschaffen, was zu Entscheidungen führt, die das Ansehen der Justiz in der Bevölkerung zu beschädigen geeignet sind.

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Celle – Beschluss vom 19.06.2023 – 6 W 65/23

  • Ehepaar erstellt ein in sich widersprüchliches gemeinsames Testament
  • Im Erbscheinverfahren trifft das Nachlassgericht wiederholt grob fehlerhafte Entscheidungen
  • OLG bezweifelt im Beschwerdeverfahren Grundkenntnisse des Erbrechts auf Seiten des Nachlassgerichts

Einen eher kuriosen Nachlassfall hatte das OLG Celle zu klären.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar am 08.02.2019 ein absolut unklares gemeinsames Testament errichtet.

Dieses Testament lautete wie folgt:

Wir setzen uns gegenseitig zur alleinigen Erben ein. Der Erstversterbende vermacht dem überlebenden Ehegatten an seinem gesamten Nachlass den Nießbrauch auf Lebenszeit. Der einzige Erbe nach dem Längstlebenden von uns ist unser Sohn A.. Das Haus und Guthabenbeträge auf der Bank und Sparkonten vorweg erhalten soll.

In der Folge verstarb der Ehemann am 18.05.2022.

Ehefrau beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein als Alleinerbin

Die Ehefrau beantragte daraufhin bei dem zuständigen Nachlassgericht unter Hinweis auf das gemeinsame Testament einen Erbschein, der sie als alleinige Erbin ihres verstorbenen Ehemannes ausweisen sollte.

Die Nachlassrichterin, eine Richterin auf Probe, wies die Ehefrau mit Schreiben vom 07.11.2022 darauf hin, dass der gemeinsame Sohn des Ehepaares beantragt habe, dass er als Erbe bezüglich des Hauses sowie der Guthabenbeträge bei der Bank und auf dem Sparkonto auszuweisen sei.

Aus diesem Vortrag des Sohnes schloss die Nachlassrichterin, dass das vorliegende Testament auslegungsbedürftig sei.

Zieht die Ehefrau ihren Erbscheinsantrag zurück?

Die Ehefrau teilte daraufhin dem Gericht mit, dass ihrem Sohn der beantragte Erbschein erteilt werden möge.

Am 02.01.2023 erließ das Nachlassgericht dann einen Beschluss, in dem die Tatsachen für die Erteilung des von der Ehefrau beantragten Erbscheins für festgestellt erachtet wurden.

Am 16.02.2023 wurde dann vom Nachlassgericht ein „gemeinschaftlicher Erbschein“ erlassen, wonach der Erblasser von seiner Ehefrau und seinem Sohn beerbt worden sei.

Nachlassgericht erteilt einen Erbschein mit kuriosem Inhalt

Der Erbschein hatte folgenden Inhalt:

„Die Ehefrau hat den gesamten Nachlass des Erblassers beerbt, mit Ausnahme des Anteils des Erblassers des Grundbesitzes sowie der Guthabenbeträge auf der Bank.“
„Der Sohn beerbt den Erblasser bezüglich dessen Guthabenbeträge auf der Bank sowie seines Anteils an dem Grundbesitz.“

Das zuständige Grundbuchamt erhielt eine Abschrift dieses Erbscheins und regte recht humorlos an, dass das Nachlassgericht diesen Erbschein doch bitte einziehen möge.

Erbschein wird vom Gericht wieder eingezogen

Daraufhin zog die Nachlassrichterin den von ihr erteilten Erbschein mit folgender Begründung ein:

 „Die im Erbschein festgelegte Erbfolge ist unrichtig und muss korrigiert werden, da die so festgesetzte Erbfolge nicht mit dem deutschen Erbrecht vereinbar ist.“

Gegen diesen Einziehungsbeschluss legte der Sohn Beschwerde ein.

Daraufhin erließ die Nachlassrichterin am 28. April 2023 einen weiteren „gemeinschaftlichen Erbschein“, wonach der Erblasser von seiner Ehefrau und dem Sohn je zu 1/2 Anteil beerbt worden sei.

Ein neuer Nachlassrichter wird tätig

Auch gegen diesen Erbschein legte der Sohn des Erblassers Beschwerde ein.

Daraufhin zog ein neuer Nachlassrichter, wieder ein Richter auf Probe, auch diesen Erbschein ein.

Darüber hinaus entschied dieser neue Nachlassrichter, dass der letzten Beschwerde des Sohnes nicht abgeholfen werde und machte so (endlich) den Weg frei zum Oberlandesgericht als Beschwerdegericht.

Das OLG rügte die Vorgehensweise und die Entscheidungen des Nachlassgerichts insgesamt als grob fehlerbehaftet.

OLG: Entscheidungen des Nachlassgerichts haben mit der Rechtslage nichts zu tun

Die Erbscheine, die vom Nachlassgericht erteilt wurden, entsprachen weder der Rechtslage noch waren sie von den Beteiligten je beantragt worden.

Den Grund für die kuriosen Entscheidungen des Nachlassgerichts sahen die Richter am OLG in dem Umstand, dass den Nachlassrichtern offensichtlich „Grundkenntnisse des materiellen Erbrechts und des Verfahrensrechts“ fehlen würden.

Dabei räumte das OLG ein, dass das der Angelegenheit zugrunde liegende Testament in sich widersprüchlich und daher auslegungsbedürftig ist.

Eine solche Testamentsauslegung habe das Nachlassgericht, so das OLG, aber unter Berücksichtigung der Gesetzeslage und dem Vortrag der Beteiligten erst einmal vorzunehmen.

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