Anrechnung von Vorempfängen auf das Vertragserbe – Reicht hier eine privatschriftliche Anordnung?
BGH – Urteil vom 28.10.2009 – IV ZR 82/08
- Vater schenkt seinem Sohn Millionenbeträge
- Vater ordnet privatschriftlich an, dass sich der Sohn diese Beträge auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss
- Gerichte entscheiden nach dem Eintritt des Erbfalls, dass keine Anrechnung stattfinden muss
Durch drei Instanzen hindurch ließen der Sohn eines Erblassers und dessen dritte Ehefrau klären, ob sich der durch Erbvertrag eingesetzte Erbe Vorempfänge auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss.
Der Erblasser hatte seinen Sohn aus erster Ehe mit Erbvertrag vom 04.09.1984 als Erben zu ¼ bestimmt. In der Folge testierte der Erblasser noch diverse Male und ordnete in diesen zeitlich späteren Testamenten auch an, dass sich sein Sohn auf seinen Pflichtteil das anrechnen lassen müsse, was er in der Vergangenheit an Zuwendungen erhalten habe. Zuletzt setzte er seine dritte Ehefrau mit privatschriftlichem Testament vom 06.07.1999 als Alleinerbin ein.
Bereits im Jahr 1978 hatte der Sohn von seinem Vater einen Betrag in Höhe von 3,6 Mio. DM als Schenkung erhalten. In dem Schenkungsvertrag hatte der Vater angeordnet, dass sich sein Sohn diesen Betrag zukünftig auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss.
Schenkung vom Vater an den Sohn in Höhe von über 4 Millionen DM
Eine weitere Schenkung in Höhe von 600.000 DM erfolgte im Jahr 1997. Hier erklärte der Sohn als Schenkungsempfänger ausdrücklich, dass er sich diesen Betrag auf „etwaige Pflichtteilsansprüche am Nachlass“ seines Vaters anrechnen lassen werde.
Über die Frage der Anrechnung dieser beiden Beträge auf seine Erbansprüche drehte sich nun der ganze Rechtsstreit.
Der Sohn beharrte auf seinem durch Erbvertrag eingeräumten Erbrecht, wonach er zu ¼ am Nachlass seines Vaters beteiligt werden sollte. Zeitlich spätere hiervon abweichende Verfügungen von Todes wegen seien unwirksam, da sie sein Recht als Vertragserbe beeinträchtigen würden, § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Anrechnungsbestimmungen aus den Jahren 1978 und 1997 hielt der Sohn insbesondere wegen Verstoß gegen erbrechtliche Formvorschriften für unwirksam.
Die dritte Ehefrau wiederum argumentierte, dass sich der Sohn an die gegebenen Anrechnungsversprechen, die auch privatschriftlich wirksam seien, halten müsse.
Der Sohn konnte sich in drei Instanzen vor den Gerichten durchsetzen und musste sich auf seinen Erbteil keinen Cent anrechnen lassen.
Testament kann die im Erbvertrag vereinbarte Erbfolge nicht aufheben
Rechtlich noch relativ schnell geklärt war in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Erblasser durch seine nach 1984 zahlreich errichteten Testamente, in denen er seine dritte Ehefrau als alleinige Erbin benannte, etwas an der Erbeinsetzung des Sohnes durch den Erbvertrag aus dem Jahr 1984 ändern konnte.
Mit Hinweis auf die insoweit eindeutige Regel in § 2289 BGB konnte dieser Punkt eindeutig entschieden werden. Die Rechtsstellung des Vertragserben konnte nicht zu seinen Ungunsten durch zeitlich spätere Testamente verschoben werden. Weder abweichende Erbeinsetzungen noch in den Testamenten enthaltene Anrechnungsverfügungen konnten den Sohn als Vertragserben negativ tangieren.
Und auch hinsichtlich der Anrechnung der erhaltenen Vorempfänge haben die Gerichte deutlich Stellung bezogen:
Eine gesetzliche Vorschrift zur Anrechnung von Vorempfängen sieht das Gesetz ausdrücklich nur unter Abkömmlingen des Erblassers vor, § 2050 BGB. Im vorliegenden Fall ging es aber nicht um die Anrechnung unter Abkömmlingen untereinander, sondern um eine Anrechnung zwischen Stiefmutter und leiblichem Sohn.
Anrechnungsbestimmung des Erblassers war formunwirksam
Der Erblasser hätte auch in diesem Fall die Möglichkeit gehabt, durch entsprechende – erbrechtlich formwirksame – Anordnung einer Teilungsanordnung oder eines Vorausvermächtnisses für die offenbar gewünschte Anrechnung der beträchtlichen dem Sohn gezahlten Geldsummen zu sorgen. Dies hatte der Erblasser allerdings nicht gemacht.
Auch eine analoge Anwendung von § 2315 BGB, wonach im Pflichtteilsrecht auch eine privatschriftliche Anordnung des Erblassers zu einer Anrechnungspflicht unter Pflichtteilsberechtigten führt, lehnten die Gerichte ab.
Soweit der Erblasser also Bestimmungen für die Auseinandersetzung unter seinen Miterben treffen will, muss er dies – von dem Sonderfall in § 2050 BGB für Abkömmlinge abgesehen – also grundsätzlich durch Testament oder Erbvertrag anordnen. Eine privatschriftliche Vereinbarung mit einem Erben reicht regelmäßig nicht aus.
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