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Akteneinsicht beim Finanzamt – Kann der Erbe Einblick in die Steuerunterlagen des Erblassers verlangen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Abgabenordung kennt kein Recht auf Akteneinsicht
  • Steuerbürger hat Anspruch auf eine Ermessensentscheidung
  • Informationsfreiheitsgesetze der Länder können helfen

Der Verlauf einer Erbsache hängt fast immer von der Informationslage der Beteiligten ab.

Ein Erbe tritt mit dem Erbfall rechtlich in die Fußstapfen des Erblassers. Er kann mithin nach dem Ableben des Erblassers grundsätzlich alle Rechte wahrnehmen, die vor dem Erbfall dem Erblasser selber zugestanden haben.

Wenn sich der Erbe mithin gegenüber Dritten, die mit dem Erblasser in geschäftlichem Kontakt standen, als Rechtsnachfolger des Erblassers legitimiert, dann kann er dem Grunde nach von diesen Dritten auch Informationen zu den ehedem mit dem Erblasser bestehenden Rechtsbeziehungen verlangen.

Dieser Grundsatz gilt bedauerlicherweise für das Steuerverhältnis zwischen Erblasser und Finanzamt nur sehr eingeschränkt.

Berechtigtes Interesse an den Steuerakten

Oft wäre es für einen Erben durchaus von Interesse, vom zuständigen Finanzamt Informationen und Unterlagen zu laufenden oder auch schon abgeschlossenen Steuerverfahren des Erblassers zu erhalten.

Wer sich als Erbe mit einem solchen Ansinnen an das Finanzamt wendet, wird allerdings sehr schnell feststellen, dass es in der insoweit maßgeblichen Abgabenordnung (AO) keine Vorschrift gibt, die einem betroffenen Steuerbürger – oder eben dessen Erben – einen Anspruch auf Akteneinsicht zubilligen würden.

Die insoweit vermeintlich einschlägige Vorschrift in § 364 AO gilt nur im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren für Beteiligte im Sinne von § 359 AO.

Die Abgabenordnung hilft nicht unmittelbar weiter

Weiter betont der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung, dass sich ein Recht zur Akteneinsicht für den Steuerbürger auch nicht  aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) ergibt.

Der BFH billigt dem um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen lediglich einen Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Finanzamtes zu.

Diese Ermessensentscheidung des Finanzamtes wird aber regelmäßig zu Ungunsten des Betroffenen ausfallen, wenn das Auskunftsersuchen Sachverhalte aus einem bereits abgeschlossenen Steuerverwaltungsverfahren betrifft. Nach dem bestandskräftigen Abschluss eines Besteuerungsverfahrens kann von Betroffenen Akteneinsicht nämlich grundsätzlich nicht mehr verlangt werden.

Ist das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen, dann kann sich ein Recht auf Akteneinsicht nach Auffassung des BFH auch noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet auch die Finanzverwaltung auf die berechtigten Interessen von Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis Rücksicht zu nehmen.

Soweit mithin die Voraussetzungen vorliegen und auch keine berechtigten Interessen Dritter entgegenstehen, hat die Finanzbehörde (Ermessensreduzierung auf Null) einem Betroffenen Akteneinsicht zu gewähren.

Akteneinsicht grundsätzlich nur vor Ort möglich

Dabei wird man sich allerdings als Betroffener zu dem Ort begeben müssen, an dem die Steuerakten liegen. Ein Anspruch auf Übersendung von Unterlagen besteht regelmäßig nicht.

Wer mit seinem Ersuchen auf Akteneinsicht beim Finanzamt auf Granit beißt, kann sein Ersuchen gegebenenfalls auch noch mit Vorschriften aus den in einigen Bundesländern erlassenen Informationszugangsgesetzen stützen.

So konnte beispielsweise in Schleswig-Holstein ein Steuerbürger und Erbe sein Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Finanzamt mit Hilfe des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein durchsetzen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.12. 2012, 4 LB 11/12).

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