Erbschleicher im Anmarsch? Was können die Angehörigen machen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Das sicherste Mittel gegen Erbschleicherei ist eine stabile Beziehung zum Erblasser
  • Im Zweifel muss geklärt werden, ob der Erblasser noch testierfähig war
  • Das Gesetz bietet nur unzureichenden Schutz gegen Erbschleicher

Der Begriff des Erbschleichers ist im Gesetz nirgendwo definiert. Man versteht unter Erbschleicherei im Allgemeinen den Vorgang, wenn familienfremde Personen mit dem alleinigen Ziel Kontakt zu älteren oder hilfsbedürftigen Menschen aufnehmen, um zeitnah an deren Vermögen zu partizipieren.

Oft geht es dabei nicht nur alleine um die negativen wirtschaftlichen Folgen für die gesetzlichen Erben, die mit einer Attacke eines Erbschleichers verbunden sind. Häufig versuchen Erbschleicher auch, ihr potentielles Opfer von der Familie zu isolieren und so zu entfremden. Die gesetzlichen Erben müssen daher zuweilen nicht nur um ihre Erbschaft fürchten, sondern verlieren auch jeden Kontakt zum Erblasser.

Es hilft den Betroffenen in einer solchen Situation nicht, sich über den Mangel an moralischen oder ethischen Grundsätze auf Seiten der Erbschleicher zu erregen.

Fakt ist, dass immer wieder versucht wird, ältere, einsame oder auch hilfsbedürftige Personen vor dem Hintergrund ausschließlich finanzieller Interessen zu beeinflussen und zu manipulieren.

Reaktionsmöglichkeiten für die gesetzlichen Erben

Wenn die gesetzlichen Erben von der Tatsache Kenntnis erhalten, dass urplötzlich eine wildfremde Person auf der Bildfläche erscheint, die sich rührend um die eigene Mutter oder den eigenen Großvater kümmert, dann sollten die Alarmglocken angehen.

Das beste Mittel gegen jeden Versuch von Erbschleicherei ist immer noch ein stabiles Verhältnis zur eigenen Familie. Wenn der Kontakt zur Eltern- und Großelterngeneration noch vorhanden ist, sollte es möglich sein, den Betroffenen zumindest auf möglicherweise nicht so hehre Absichten des neuen Freundes bzw. der neuen Freundin hinzuweisen.

Als betroffener Erbe hat man dabei selbstverständlich lebzeitige Entscheidungen des zukünftigen Erblassers in Bezug auf sein Vermögen grundsätzlich zu respektieren. Jeder Mensch kann und darf mit seinem Vermögen zu Lebzeiten verfahren, wie es ihm beliebt.

Eine Grenze kann aber möglicherweise dann überschritten werden, wenn der zukünftige Erblasser aufgrund seiner geistigen oder körperlichen Verfassung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten eigenverantwortlich zu besorgen. In diesen Fällen können Angehörige darüber nachdenken, für den Betroffenen eine Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu beantragen und auf diesem Weg den Geldfluss vom Betroffenen zu seinem neuen Freund zu unterbinden.

Sind vom zukünftigen Erblasser finanzielle Zuwendungen an einen Dritten im Zustand der Geschäftsunfähigkeit vorgenommen worden, so können die Familienangehörigen solche Rechtsgeschäfte rückgängig machen und Geschenke bei dem Empfänger wieder einfordern.

Erbrechtliche Instrumente gegen Erbschleicherei

Ebenso wie ein Erblasser zu Lebzeiten frei über sein Vermögen bestimmen kann, so kann er auch autonom darüber entscheiden, wer nach seinem Tod Erbe seines Vermögens werden soll. In Deutschland herrscht die Testierfreiheit und das bedeutet auch für die nächsten Angehörigen, dass sie als Erbe zur Erbfolge berufen sein können … aber eben nicht müssen.

Der Erblasser kann, soweit er sich in einem testierfähigen Zustand befindet, in seinem Testament demnach jederzeit eine soeben gemachte Zufallsbekanntschaft als Alleinerben einsetzen.

Wenn die gesetzlichen Erben sich vor solchen Überraschungen absichern wollen, so bieten Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament die Möglichkeit, den Erblasser zu binden und urplötzliche Wendungen in der Erbfolgeregelung auszuschließen. Eine in einem gemeinsamen Testament oder Erbvertrag niedergelegte Erbfolgeregelung kann von einem Erbschleicher nur unter erschwerten Bedingungen torpediert werden.

Ist der Erbschleicher aber sogar in einem Testament als Erbe eingesetzt worden, dann bleibt den Angehörigen nach Eintritt des Erbfalls nur die Prüfung, ob dieses Testament wirksam ist oder zumindest nach den Regelungen in den §§ 2078 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) angefochten werden kann.

Gründe, die gegen die Wirksamkeit eines Testamentes sprechen können, wären zum Beispiel die fehlende Testierfähigkeit des Erblassers oder auch Formmängel, die dem Erblasser bei der Errichtung des Testaments unterlaufen sind. Ebenfalls können beispielsweise Testamente von Heimbewohnern unwirksam sein, wenn in dem Testament Mitarbeiter des Heimes oder auch der Träger des Heimes bedacht wurden.

In Extremfällen kann man auch drüber nachdenken, einem Testament die Wirksamkeit wegen des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit abzusprechen.

Die gesetzlichen Erben sollten aber jederzeit davon ausgehen, dass es einen wasserdichten Schutz gegen Erbschleicherei nicht gibt. Auch Gerichten sind selbst in anrüchigen Fällen die Hände gebunden und im Extremfall gehen Vermögenswerte in Millionenhöhe an Personen, die den Erblasser erst kurz vor dessen Ableben überhaupt kennen gelernt haben.

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