Ehefrau kann erben, obwohl der Ehemann die Scheidung beantragt hatte

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf – Beschluss vom 25.10.2019 – I-3 Wx 182/19

  • Ehemann beantragt nach 20 Jahren Ehezeit die Scheidung
  • Ehefrau pflegt ihren Mann in seinen letzten Tagen
  • Ehefrau wird neben den Kindern des Ehepaares gesetzliche Erbin

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte darüber zu befinden, ob ein anhängiges Scheidungsverfahren Auswirkungen auf das Erbrecht des überlebenden Ehepartners hat.

In der Angelegenheit hatte sich ein Ehepaar im Mai 2016 getrennt. Ende des Jahres 2017 beantragte der Ehemann die Scheidung der Ehe.

Ehefrau will sich nicht scheiden lassen

Im Februar 2018 ließ die Ehefrau ihren Ehemann in einem Brief unter anderem folgendes wissen:

Gründe für eine Scheidung gab es schon vor genau 20 Jahren und später immer wieder, aber wir haben es geschafft und sind zusammen geblieben. Vielleicht können wir uns noch einmal eine Chance geben, indem wir trotz räumlicher Trennung in Kontakt bleiben und uns bei Bedarf gegenseitig unterstützen.
Es ist mir auch sehr wichtig zu betonen, dass ich mich nicht scheiden lassen wollte, weil ich aus tiefster Überzeugung unsere Ehe eingegangen war – bis der Tod sie scheidet.

In der Folge erlitt der Ehemann einen Schlaganfall. Dies veranlasste die Ehefrau zu ihm zurückzukehren. Die letzten zwei Wochen vor dem Tod des Ehemannes kümmerte sich die Ehefrau um den Ehemann.

Ehefrau beantragt als gesetzliche Erbin einen Erbschein

Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Ehefrau beim Nachlassgericht einen Erbschein.

Nachdem der Ehemann kein Testament hinterlassen hatte, sollte der Erbschein nach dem Antrag der Ehefrau auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge erteilt werden.

Die Ehefrau beanspruchte für sich einen Erbteil von 1/2. Die drei Kinder des Ehepaares sollten zu je 1/6 im Erbschein als Erben ausgewiesen werden.

Nach einigem Zögern teilte das Nachlassgericht mit, dass es dem Erbscheinsantrag der Ehefrau stattgeben wolle.

Ein Kind legt Beschwerde zum OLG ein

Diese Entscheidung missfiel aber einem der Kinder des Ehepaares, das gegen die Entscheidung Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegte.

Das OLG wies die Beschwerde aber als unbegründet zurück.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass das Erbrecht der Ehefrau vorliegend nicht durch die vom Ehemann beantragte Scheidung ausgeschlossen worden sei.

Nach § 1933 BGB sei das Erbrecht des überlebenden Ehepartners nämlich nur dann ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt hatte. 

Voraussetzungen für eine Scheidung liegen nicht vor

Im zu entscheidenden Fall hatte der Erblasser zwar vor seinem Tod die Scheidung beantragt.

Das OLG konnte aber nicht feststellen, dass beim Tod des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung gegeben waren.

Nach § 1565 BGB könne eine Ehe nämlich nur dann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Ein Scheitern der Ehe sei anzunehmen, wenn die Lebensgemeinschaft der Eheleute nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Eheleute sie wiederherstellen.

Eheliche Lebensgemeinschaft kann wiederhergestellt werden

Das OLG konnte im vorliegenden Fall nicht erkennen, dass nicht zu erwarten gewesen sei, dass die Eheleute ihre eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherstellen.

Sowohl der Brief der Ehefrau aus dem Jahr 2018 als auch das Verhalten der Ehefrau unmittelbar vor dem Ableben des Ehemannes ließen die Richter am OLG vielmehr daran zweifeln, dass sich die Ehefrau bereits endgültig von der Ehe verabschiedet hatte.

Im Ergebnis wurde die Ehefrau damit neben ihren Kindern Miterbin zu ½.

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