Der Erblasser verstirbt während eines Gerichtsverfahrens – Was passiert mit dem Prozess?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Bei Tod einer Prozesspartei tritt im Gerichtsverfahren eine Unterbrechung ein
  • Bei anwaltlicher Vertretung geht es ohne Unterbrechung weiter
  • Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, muss er den Prozess nicht fortsetzen

In Deutschland wird viel und gerne prozessiert.

So konnten sich im Jahr 2010 alleine die erstinstanzlichen Zivilgerichte (Amtsgerichte und Landgerichte) über die stolze Zahl von über 1,5 Millionen Verfahren freuen. Hinzu kamen im gleichen Zeitraum über 690.000 Verfahren vor den Familiengerichten.

Bei dieser enormen Menge an Gerichtsverfahren bleibt es nicht aus, dass hin und wieder einer der Beteiligten noch vor Beendigung des Prozesses verstirbt. Wenn entweder Kläger oder auch Beklagter ihre Rechte in dem Prozess wegen Todes nicht mehr wahrnehmen können, muss ein Prozedere gefunden werden, wie man mit der neuen Situation umgeht.

Das Verfahren vor Gericht wird unterbrochen

Das deutsche Recht klärt diesen Fall für Prozesse ohne anwaltliche Vertretung des Erblassers in § 239 ZPO (Zivilprozessordnung).

Danach tritt im Falle des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei das Verfahren wieder aufnimmt.

Unabhängig von der Frage, ob der Erblasser als Kläger einen so genannten Aktivprozess gegen einen Dritten angestrengt hat, von dem er noch etwas zu bekommen hat oder ob der Erblasser in einen so genannten Passivprozess verstrickt wurde, weil ein Dritter Forderungen gegen den Erblasser behauptet, tritt mit dem Tod des Erblassers als Prozesspartei durch Unterbrechung erst einmal eine Zäsur ein.

Erfährt das Gericht von dem Umstand, dass eine Partei verstorben ist, werden zunächst anstehende Verhandlungstermine abgesetzt und keine weiteren Aktivitäten entfaltet.

Hatte der Erblasser einen Anwalt?

Prozesse mit anwaltlicher Vertretung des Erblassers werden grundsätzlich bei Tod einer Partei nicht unterbrochen, § 246 ZPO, können jedoch auf Antrag des Anwalts ausgesetzt werden.

Dieser Zustand der Unterbrechung bzw. Aussetzung bei Tod einer Prozesspartei kann natürlich nicht ewig andauern, da auch die anderen an dem Gerichtsverfahren Beteiligten ein Recht auf die Erledigung der Angelegenheit haben.

Der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft als Rechtsnachfolger des Erblassers haben den vom verstorbenen Erblasser begonnenen Rechtsstreit nunmehr aufzunehmen. Technisch geschieht dies durch einen bei Gericht – gegebenenfalls durch einen Anwalt zu fertigenden – Schriftsatz, § 250 ZPO.

Der Erbe tritt in diesem Fall in die Fußstapfen des Erblassers und führt dessen Prozess weiter.

Hat sich der Erbe dazu entschlossen, die Erbschaft auszuschlagen, so muss er den Prozess natürlich nicht fortsetzen. Bis zur Annahme der Erbschaft ist der Erbe nicht zur Fortsetzung des Prozesses verpflichtet, § 239 Abs. 5 ZPO.

Erben nehmen im Normalfall den Rechtsstreit anstelle des Erblassers auf

Erklären sich die Erben als Rechtsnachfolger überhaupt nicht, so können sie auf Antrag der gegnerischen Partei zur Aufnahme des Verfahrens aufgefordert werden. Gleichzeitig wird ein Verhandlungstermin bestimmt.

Bleiben die Erben weiter inaktiv, kann am Ende ein Versäumnisurteil gegen sie ergehen.

Hatte der Erblasser mit seinen gerichtlichen Angelegenheiten einen Anwalt beauftragt, so erlischt dessen Mandatierung nicht mit dem Tod des Erblassers. Die Erben haben aber natürlich die Möglichkeit, die Vollmacht des Anwalts zu widerrufen und einen anderen Advokat zu beauftragen.

Regelmäßig führt ein solches Vorgehen für den Erben aber auch zu einer doppelten Belastung mit Anwaltshonoraren.

Geht der Aktivprozess am Ende positiv aus, fällt die Forderung in den Nachlass und kann vom Erben geltend gemacht werden. Verliert der Erbe den Prozess, muss er dem Gegner die Hauptforderung sowie etwaige Kosten bezahlen.

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