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Depression, Zwangs- und wahnhafte Angststörung – Folgt daraus die Geschäftsunfähigkeit bei Unterschrift unter notariellen Vertrag?

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Beschluss vom 12.12.2019 –  V ZR 69/19

  • Onkel lässt seine Nichte unter dubiosen Umständen eine notarielle Erklärung unterzeichnen
  • Nichte macht geltend, dass sie bei Unterzeichnung der Erklärung geschäftsunfähig gewesen sei
  • Sachverständiger und Landgericht geben der Nichte Recht

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob eine Unterschrift einer Alleinerbin unter eine notarielle Erklärung wirksam war.

In der Angelegenheit war die spätere Klägerin alleinige Erbin ihrer im September 2007 verstorbenen Mutter geworden.

Neben der Erbeinsetzung ihrer Tochter hatte die Erblasserin in ihrem Testament ihren Bruder, den Onkel der späteren Klägerin, als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Zum Nachlass zählte auch das Elternhaus der Erblasserin.

Onkel organisiert einen Notar und einen eher dubiosen Termin

Im Februar 2008 kam es dann in dem Elternhaus der Erblasserin zu einer durchaus ungewöhnlichen Zusammenkunft.

Der Bruder der Erblasserin hatte nämlich sowohl die Tochter der Erblasserin als auch einen Notar einbestellt.

Der Notar brachte zu dem Termin eine auf Veranlassung des Bruders der Erblasserin gefertigte Erklärung mit, mit der die Tochter der Erblasserin und Alleinerbin ihrem Onkel an dem gesamten Grundbesitz, auf dem sich das Haus befand, unter Ausschluss der Tochter der Erblasserin ein unentgeltliches lebenslanges Wohnungsrecht bewilligte.

Die notarielle Erklärung wird unterzeichnet

Diese Erklärung wurde von der Tochter der Erblasserin in diesem Termin unterzeichnet.

In der Folge wurde das lebenslange Wohnrecht zugunsten des Bruders der Erblasserin in das Grundbuch eingetragen.

Im Nachgang wollte die Tochter der Erblasserin diesen Vorgang aber wieder rückgängig machen und verklagte ihren Onkel auf Löschung des Wohnrechts aus dem Grundbuch.

Die Tochter der Erblasserin machte geltend, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen sei.

Gericht holt Sachverständigengutachten ein

Das von der Tochter der Erblasserin angerufene Landgericht holte daraufhin ein Sachverständigengutachten ein.

Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass bei der Klägerin bei Unterzeichnung der notariellen Erklärung eine „vorübergehende Störung der Geistestätigkeit“ und damit der Tatbestand der Geschäftsunfähigkeit vorgelegen habe.

Die Klägerin habe, so das Landgericht, „nach dem Tod ihrer Mutter an einer schwerwiegenden Depression, Zwangs- und wahnhaften Angststörungen gelitten … und ihre Alltagsfähigkeit (sei) aufgrund dessen deutlich eingeschränkt gewesen.“

Landgericht gibt der Klage statt

Diesen Erkenntnissen folgend gab das Landgericht der Klage auf Löschung des zugunsten des Onkels der Klägerin eingetragenen Wohnrechts statt.

Die daraufhin vom Onkel der Klägerin zum Oberlandesgericht eingelegte Berufung war allerdings erfolgreich.

Im Gegensatz zum Landgericht konnte das OLG dem Gutachten keine Hinweise auf eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der notariellen Erklärung entnehmen.

Das OLG kam vielmehr zu dem Schluss, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung lediglich „innerlich aufgewühlt“ gewesen sei.

Klägerin erhebt Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH

Gegen diese Entscheidung des OLG erhob die Klägerin aber Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.

Beim BGH wertete man die Entscheidung des OLG tatsächlich als rechtsfehlerhaft.

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies die Angelegenheit zur abermaligen Verhandlung an einen anderen Senat des OLG zurück.

Der BGH bemängelte an der Entscheidung des OLG, dass dieses den Sachverständigen nicht nochmals angehört habe, nachdem es dessen Ausführungen anders gewürdigt hatte als das Landgericht.

OLG verletzt Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör

Damit habe das OLG das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Soweit das Berufungsgericht nämlich von der Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht überzeugt sei, müsse es die maßgeblichen Tatsachen erneut feststellen.

Hierzu gehöre dann eben auch die erneute Anhörung eines Sachverständigen, wenn das Berufungsgericht die Feststellungen des Sachverständigen anders als das Ausgangsgericht würdigen will.

Im Ergebnis muss die Angelegenheit damit nochmals von einem anderen Senat des OLG verhandelt werden.

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