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Darf ein Betreuer für die betreute Person eine werthaltige Erbschaft ausschlagen, wenn die betreute Person Sozialleistungen bezieht?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Betreuer bedarf zur Ausschlagung der Genehmigung durch das Betreuungsgericht
  • Wenn der Zugriff von Sozialbehörden auf das werthaltige Erbe verhindert werden soll, wird die Genehmigung oft versagt
  • Gerichte halten Ausschlagung in diesem Fall für sittenwidrig

Wenn eine Person, die vom Staat Sozialleistungen z.B. in Form von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bezieht, eine Erbschaft macht, dann ist die Freude über die Erbschaft oft nur von kurzer Dauer.

Nach § 9 SGB I (Sozialgesetzbuch 1. Teil) ist nämlich jedermann verpflichtet, eigene Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs einzusetzen, bevor der Staat einspringt.

Der Staat kann diesen Grundsatz im Bedarfsfall auch zwangsweise durchsetzen und die beispielsweise im Falle der Gewährung von Sozialhilfe Ansprüche einer leistungsberechtigten Person gegen Dritte nach § 93 SGB XII auf sich überleiten.

Erbschaft muss zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs eingesetzt werden

Ein Sozialhilfeempfänger, der eine Erbschaft macht, muss demnach im Zweifel damit rechnen, dass er die Erbschaft – soweit er die Erbschaft übersteigende Leistungen bezogen hat – bis auf einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro (vgl. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) bei der Sozialbehörde abliefern muss.

Diese in den deutschen Sozialgesetzen vorgesehen Systematik kann unter Umständen auch einen vom Gericht eingesetzten Betreuer interessieren.

Macht nämlich eine unter Betreuung stehende Person, die auch Sozialleistungen bezieht, eine Erbschaft, dann kann der Betreuer unter Umständen auf die Idee kommen, dass es für die betreute Person gar keinen Sinn macht, die Erbschaft anzunehmen, weil das geerbte Geld sowieso am Ende von der Sozialbehörde vereinnahmt wird.

Betreuer will eine werthaltige Erbschaft ausschlagen

In solchen Fällen kann es dem Betreuer als sinnvoll erscheinen, die Erbschaft für die von ihm betreute Person auszuschlagen um auf diesem Weg gegebenenfalls andere Personen, die keine Sozialleistungen beziehen, von der Erbschaft profitieren zu lassen.

In aller Regel wird ein solches Vorhaben aber scheitern.

Nach §§ 1822 Nr. 2, 1908i, 1915 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bedarf eine von einem Betreuer für die von ihm betreute Person erklärte Ausschlagung einer Erbschaft nämlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht.

Ist die in Frage stehende Erbschaft aber werthaltig und will der Betreuer durch die Ausschlagung vorzugsweise den Zugriff staatlicher Sozialbehörden auf die Erbschaft verhindern, dann wird das Betreuungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Genehmigung für die Ausschlagung der Erbschaft verweigern.

OLG Stuttgart: Die Ausschlagung ist sittenwidrig

Betreuungsgerichte orientieren sich in solchen Fällen nämlich oft an einem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 (OLG Stuttgart, 25.06.2001, Az.: 8 W 494/99).

In der Entscheidung hatte das OLG Stuttgart die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft durch einen Betreuer als sittenwidrig und damit unwirksam eingestuft.
Die Klage des Betreuers gegen die Versagung der Genehmigung durch das Betreuungsgericht wurde in diesem Fall abgewiesen.

Das Gericht urteilte in seinem Beschluss, dass die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft durch den Betreuer mit der Aufgabe des Betreuers, die Vermögensinteressen des Betreuten wahrzunehmen, „schon im Ansatz regelmäßig nicht vereinbar“ sei, da „damit wird ein mit dem Erbfall ohne weiteres eingetretener Vermögenserwerb des Betreuten wieder rückgängig gemacht“ würde. 

Es sei anerkannt, so das OLG in seiner Entscheidung weiter, „dass Rechtsgeschäfte, durch die der Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das ihm gebührende Vermögen vereitelt wird, grundsätzlich nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen, sondern wegen "Sittenwidrigkeit" unwirksam sind (§ 138 Abs. 1 BGB).“

Dabei räumte das Gericht allerdings ein, dass für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme.

Die Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Betreuer zur Vermeidung des Zugriffs des Sozialträgers sei aber, so das OLG, regelmäßig nicht hinzunehmen.

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