Erbe irrt über die Rechtsfolgen seiner Ausschlagung – Anfechtung der Ausschlagung ist möglich!
OLG Frankfurt am Main – Beschluss vom 04.05.2017 – 20 W 197/16
- Sohn schlägt Erbe aus und will seinen Erbteil so seiner Mutter als Miterbin übertragen
- Ausschlagung der Erbschaft wird nachfolgend wegen Irrtums angefochten
- OLG: Anfechtung war berechtigt
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte über die Frage zu befinden, ob ein Erbe, der sich über die rechtlichen Auswirkungen seiner Erbausschlagung geirrt hatte, die Wirkungen der Ausschlagung durch eine Anfechtung wieder beseitigen kann.
In der Angelegenheit war der Erblasser im Jahr 2015 verstorben. Er hinterließ seine Ehefrau und einen Sohn. Ein Testament oder einen Erbvertrag hatte der Erblasser nicht errichtet.
Der Sohn erklärte gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung der Erbschaft. Der Sohn begründete die Ausschlagung der Erbschaft nicht. Er hatte aber offenbar die Absicht, mit seiner Ausschlagung seiner Mutter zur Stellung einer Alleinerbin zu verhelfen.
Sohn erkennt seinen Irrtum und erklärt Anfechtung der Ausschlagung
Als Reaktion auf die Ausschlagung der Erbschaft fragte das Nachlassgericht bei dem Sohn des Erblassers an, ob dieser Kinder habe. Jetzt erkannte der Sohn offenbar seinen Irrtum über die Rechtswirkung seiner Ausschlagung und erklärte gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung seiner Ausschlagung.
In der Folge beantragten die Ehefrau und der Sohn beim Nachlassgericht gemeinsam einen Erbschein, der sie als gesetzliche Erben zu je ½ nach dem Erblasser ausweisen sollte.
Beide, sowohl der Sohn als auch die Ehefrau des Erblassers erklärten dabei gegenüber dem Nachlassgericht, dass die Ausschlagung der Erbschaft wirksam sei, da der Sohn als gesetzlich berufener Erbe geglaubt habe, mit der Ausschlagung die Übertragung seines Erbteils an seine Mutter vorzunehmen.
Antrag auf Erbschein wird vom Nachlassgericht zurückgewiesen
Das Nachlassgericht beurteilte die Wirksamkeit der Anfechtung der Ausschlagung allerdings als unbeachtlichen Motivirrtum und wies den Erbscheinsantrag als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Sie begründeten die Beschwerde mit dem Argument, dass ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum immer dann vorliege, wenn der anfechtende Erbe irrtümlich glaube, mit der Ausschlagung die Übertragung an eine bestimmte Person vorzunehmen.
Das OLG beurteilte die Ausschlagung des Sohnes als wirksam und gab der Beschwerde statt.
OLG: Ausschlagung der Erbschaft ist anfechtbar
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG grundlegend darauf hin, dass die Ausschlagung einer Erbschaft ebenso wie deren Annahme nach den allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen unter Lebenden in den §§ 119 ff. BGB angefochten werden könne.
Als Anfechtungsrund komme im vorliegenden Fall, so das OLG, ein Inhaltsirrtum in Frage, da sich der Sohn möglicherweise in rechtlich relevanter Weise über die Bedeutung und die Tragweite seiner Ausschlagungserklärung geirrt habe.
Auch ein Irrtum über die Rechtfolgen einer Erklärung könne, so das OLG, einen Unterfall eines solchen Inhaltsirrtums i. S. d. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellen.
Das Nachlassgericht sei aber, so das OLG weiter, im Kern zutreffend davon ausgegangen, dass „ein Irrtum des Ausschlagenden im Hinblick auf die Person, welche in der gesetzlichen Erbfolge an seine Stelle tritt, häufig einen unbeachtlichen Motivirrtum“ darstellt. Dies gelte jedenfalls für die Fälle, in denen sich die Fehlvorstellung des ausschlagenden Erben auf die konkrete Person bezieht, die seiner Meinung nach als nachrückender Erbe von der Ausschlagung profitiert.
Im zu entscheidenden Fall habe der Sohn aber nach seiner Aussage angenommen, dass sein Erbteil nach seiner Ausschlagung seiner Mutter als ohnehin (berufene) Miterbin zufallen würde. In dieser Annahme liege aber eine zur Anfechtung berechtigende wesentliche Abweichung der tatsächlichen unmittelbaren rechtlichen Wirkungen seiner Ausschlagung von der Vorstellung des Sohnes, nach der sein Erbteil alleine seiner Mutter als einziger vorhandener Miterbin zufallen würde.
Die Fehlvorstellung des Sohnes betraf mithin die unmittelbaren Rechtsfolgen seiner Erklärung und nicht den für eine Anfechtung nicht ausreichenden Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben.
Danach konnte der Sohn durch die erklärte Anfechtung seine Ausschlagung der Erbschaft wieder rückgängig machen. Der von Mutter und Sohn beantragte Erbschein konnte erteilt werden.
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