Die Auskunftspflicht eines Miterben, der lebzeitige Zuwendungen vom Erblasser erhalten hat

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers müssen im Erbfall unter Umständen ausgeglichen werden
  • Erben haben offen zu legen, ob und welche Zuwendungen sie vom Erblasser erhalten haben
  • Die Auskunftspflicht bezieht sich auch auf Zuwendungen, die Jahrzehnte zurück liegen

Das Gesetz greift zuweilen erheblich in die Verteilung des Nachlasses ein.

Das gilt insbesondere für die Fälle, bei denen Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers aufgrund der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen sind.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass der Erblasser seine Abkömmlinge durch ein Testament oder einen Erbvertrag auf dasjenige eingesetzt hat, was den Abkömmlingen als gesetzliche Erben zustehen würde, § 2052 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Kinder und weitere Abkömmlinge erben zu gleichen Teilen

Hat der Erblasser also durch seine Erbfolgeregelung signalisiert, dass zum Beispiel seine Kinder zu gleichen Teilen an der Erbschaft partizipieren sollen, dann gilt der Grundsatz in § 1924 Abs. 4 BGB:

Kinder erben zu gleichen Teilen.

Im Falle der gesetzlichen Erbfolge oder im Fall von § 2052 BGB bedeutet das aber nicht nur, dass beispielsweise drei vorhandene Kinder jeweils ein Drittel vom Nachlass erhalten.

Lebzeitige Zuwendungen müssen unter Umständen ausgeglichen werden

Vielmehr müssen in diesem Fall nach den Vorschriften in den §§ 2050 ff. BGB unter Umständen lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an seine Abkömmlinge im Erbfall ausgeglichen werden.

Hat der Erblasser also beispielsweise bereits zu Lebzeiten einem seiner Kinder mehr zukommen lassen, als den Geschwistern des Leistungsempfängers, dann kann es bei der Verteilung der Erbschaft nach § 2055 BGB zu merklichen Verschiebungen zugunsten derjenigen Erben kommen, die zu Lebzeiten noch nichts oder weniger erhalten haben.

Dabei ist ausdrücklich nicht jede Zuwendung, die der Erblasser einem seiner Abkömmlinge zu Lebzeiten hat zukommen lassen, ausgleichspflichtig im Sinne von § 2050 BGB.

Was ist ausgleichspflichtig?

Ausgleichspflichtig sind nach § 2050 BGB vielmehr nur so genannte Ausstattungen, übermäßige Einkommenszuschüsse, übermäßige Ausbildungsaufwendungen und sonstige Zuwendungen, deren Ausgleich der Erblasser ausdrücklich angeordnet hat.

Problematisch ist häufig, dass der einzelne Erbe nicht genau weiß, ob und in welchem Umfang sein Miterbe vom Erblasser ausgleichspflichtige Zuwendungen erhalten hat.

Diesem Wissensdefizit will der Gesetzgeber durch die Vorschrift in § 2057 BGB abhelfen:

Jeder Miterbe ist verpflichtet, den übrigen Erben auf Verlangen Auskunft über die Zuwendungen zu erteilen, die er nach den §§ 2050 bis 2053 zur Ausgleichung zu bringen hat.

Danach kann jeder dem Grunde nach ausgleichungsberechtigte Erbe (Abkömmling) von seinem Miterben verlangen, dass er die Karten auf den Tisch legt und ihm mitteilt, ob und welche ausgleichungspflichtigen Zuwendungen er erhalten hat.

Keine zeitliche Beschränkung der Ausgleichung

In zeitlicher Hinsicht ist diese Auskunftspflicht nicht beschränkt, weil auch Zuwendungen, die 20 Jahre oder länger zurück liegen, durchaus nach §§ 2050 ff. BGB ausgleichspflichtig sein können.

Auch ist es nicht Sache des Ausgleichspflichtigen darüber zu befinden, welche Informationen er preisgibt.

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs müssen vielmehr sämtliche Informationen zu allen Zuwendungen des Erblassers übermittelt werden, auch wenn die Zuwendungen nur möglicherweise ausgleichspflichtig sind.

Mögliche Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung

Eine besondere Form für die zu erteilende Auskunft sieht das Gesetz nicht vor. Die Auskunft kann damit auch mündlich erteilt werden.

Empfehlenswert dürfte es aber aus Gründen der Rechtsklarheit immer sein, die geforderte Auskunft schriftlich zu erteilen.

Hat der Auskunftsberechtigte Grund zu der Annahme, dass die geschuldete Auskunft nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt wurde, kann er vom Auskunftspflichtigen verlangen, dass er die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt versichert.

Lässt sich im Einzelfall nachweisen, dass die eidesstattliche Versicherung falsch ist, dann hat der auskunftspflichtige Erbe neben einem erbrechtlichen auch ein strafrechtliches Problem.

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