Der Erbe hat keinen Auskunftsanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten wegen ausgleichpflichtiger Zuwendungen
OLG München – Urteil vom 21.03.2013 – 14 U 3585/12
Das Oberlandesgericht München hatte bei einem Brüderpaar zu entscheiden, ob der als Alleinerbe eingesetzte Bruder gegen seinen Pflichtteil begehrenden Bruder einen Anspruch auf Auskunft über Zuwendungen hat, die dieser zu Lebzeiten der gemeinsamen Mutter und Erblasserin erhalten hat.
Die gemeinsame Mutter von Kläger und Beklagtem war am 17.03.2009 verstorben. Die Mutter hatte ein Testament hinterlassen. In diesem Testament hatte sie einen der Brüder, den späteren Beklagten, als Alleinerben eingesetzt. Ein weiterer Bruder beteiligte sich nicht an dem Rechtsstreit.
Der andere Bruder machte als Kläger unter anderem Pflichtteilsansprüche gegen seinen Bruder als Alleinerben geltend.
Im Zuge dieses Pflichtteilsprozesses machte der beklagte Alleinerbe im Rahmen einer von ihm erhobenen Widerklage Auskunftsansprüche gegen den klagenden Pflichtteilsberechtigten geltend. Er beantragte vor Gericht, der klagende Pflichtteilsberechtigte möge Auskunft darüber geben, welche Zuwendungen er zu Lebzeiten von der gemeinsamen Mutter erhalten habe.
Das Landgericht gab dieser Widerklage statt und verurteilte den Pflichtteilsberechtigten zur Erteilung der vom Alleinerben begehrten Auskunft.
Gegen diese Verurteilung wehrte sich der Pflichtteilsberechtigte und legte Berufung zum Oberlandesgericht ein. In seiner Berufungsbegründung wies der Pflichtteilsberechtigte im Wesentlichen darauf hin, dass es für einen Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten keine Anspruchsgrundlage im Gesetz gebe. Insbesondere könne hier der für Miterben geltende Auskunftsanspruch des § 2057 BGB nicht analog angewendet werden. Der Pflichtteilsberechtigte sei einem Erben gegenüber nicht auskunftsverpflichtet.
Das Oberlandesgericht gab der Berufung statt und hob das Urteil erster Instanz, soweit der Pflichtteilsberechtigte dort zur Erteilung von Auskünften verurteilt worden war, auf.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass es für einen Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten keine Anspruchsgrundlage im Gesetz gebe. Für eine analoge Anwendung des Auskunftsanspruchs aus § 2057 BGB zugunsten des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten bestehe weder aus materiell-rechtlichen noch aus prozessualen Gründen eine Veranlassung.
Eventuell nach § 2316 BGB ausgleichspflichtige Zuwendungen, die der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten der Erblasserin erhalten haben mag, würden, so das OLG, nicht die Gesamtbelastung des Erben mit Pflichtteilsansprüchen, sondern würden nur zu einer Verschiebung der Höhe der einzelnen Pflichtteile unter den Pflichtteilsberechtigten führen.
Das OLG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass sich der Pflichtteilsberechtigte in einem Prozess im Rahmen seiner prozessualen Wahrheitspflicht auch zu ausgleichspflichtigen Zuwendungen nach § 2316 BGB äußern muss, wenn sich der Erbe als Pflichtteilsschuldner auf die Existenz solcher Zuwendungen beruft.
Soweit der Erbe als Pflichtteilsschuldner Erkenntnisse über den Pflichtteil ausschließende Vorempfänge des Pflichtteilsberechtigten hat, könne er dazu vortragen und so den Pflichtteilsanspruch im Ergebnis entwerten.
Im Ergebnis müsse eine Auseinandersetzung wie die vorliegende nach Meinung des OLG nach den im Zivilprozess geltenden Grundsätzen über die prozessuale Darlegungs- und Beweislast gelöst werden. Ein isoliert einklagbarer Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten sei aber mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage nicht gegeben.
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