Ein Erbe verweigert den Miterben den Besitz an einem Nachlassgegenstand – Was kann man machen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Mehrere Erben sind Mitbesitzer am Nachlass
  • Einem einzelnen Miterben stehen grundsätzlich keine Sonderrechte zu
  • Einstweilige Verfügung auf Einräumung des Mitbesitzes ist möglich

Wenn der Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen hat, dann entsteht kraft Gesetz und ganz automatisch nach dem Erbfall eine so genannte Erbengemeinschaft.

Das gesamte Vermögen des Erblassers gehört mit dem Erbfall den Mitgliedern dieser Erbengemeinschaft gemeinsam. Unabhängig von der Erbquote, mit der jeder einzelne Erbe an der Erbschaft beteiligt ist gilt der Grundsatz: Jeder Miterbe hat innerhalb der Erbengemeinschaft grundsätzlich die gleichen Rechte.

Auch wenn einem Miterben beispielsweise eine überwiegende Erbquote von 80 oder mehr Prozent zusteht, so hat dieser Erbe dem Grunde nach an dem Nachlass nicht mehr Rechte als die Miterben, die mit einem geringeren Teil an der Erbschaft beteiligt sind.

Bis zur so genannten Auseinandersetzung – der Verteilung des Nachlasses unter den Erben – kann keiner der mehreren Erben für sich besondere Rechte an einzelnen Nachlassgegenständen geltend machen.

Eigentum und Besitz gehen auf alle Erben über

Eigentum und Besitz an den Nachlassgegenständen gehen mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft - und gerade nicht auf einen einzelnen Miterben - über.

So einfach sich diese Regeln in der Theorie anhören, so schwierig ist die Umsetzung in der Praxis.

So kommt es immer wieder vor, dass sich ein Miterbe den Nachlass ganz oder in Teilen „unter den Nagel reißt“. Rechte der anderen Miterben werden in solchen Fällen konsequent geleugnet und ignoriert.

Tatsächlich hat aber jeder betroffene Miterbe, der mit solchen Problemen konfrontiert wird, die Möglichkeit, seine Rechte mit gerichtlicher Hilfe sicherzustellen.

Anspruch auf Einräumung von Mitbesitz

Das beginnt bereits damit, dass jeder Miterbe von einem anderen Miterben die Einräumung des Mitbesitzes nach § 866 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) an einem Nachlassgegenstand einfordern kann.

Solange der Erbe, der einen Nachlassgegenstand alleine besitzt, nicht besondere Rechte beispielsweise in Form einer Vollmacht durch den Erblasser oder die anderen Miterben vorweisen kann, muss er jedem Miterben den Mitbesitz einräumen, § 861 BGB.

Jeder betroffene Miterbe kann also grundsätzlich gegen eine Besitzentziehung durch einen anderen Miterben vorgehen.

Einstweilige Verfügung bei verbotener Eigenmacht

Dies gilt unabhängig davon, um welchen Nachlassgegenstand es im konkreten Fall geht. Das Recht auf Mitbesitz besteht für ein Sparbuch des Erblassers ebenso wie für ein Auto, das zum Nachlass gehört oder ein Grundstück, das ehedem im Eigentum des Erblassers stand.

Der Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes sollte im Bedarfsfall schriftlich geltend gemacht werden. Reagiert der betroffene Besitzer des Nachlassgegenstandes nicht, kann vor Gericht eine einstweilige Verfügung auf Einräumung des Mitbesitzes beantragt werden.

Miterben, denen der Mitbesitz grundlos vorenthalten wird, müssen sich also nicht darauf beschränken, in einem zeitaufwändigen Verfahren ein Urteil zu erstreiten, sondern sie können das wesentlich straffere Verfügungsverfahren nutzen, um ihr Besitzrecht durchzusetzen.

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