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Kann der Pflichtteil wegen einer Beleidigung entzogen werden? Die komplette Enterbung wegen einer Beleidigung!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Eine Beleidigung kann ein schweres Vergehen darstellen und den Entzug des Pflichtteils rechtfertigen
  • Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls
  • Auch das Verhalten des Erblassers muss in die Abwägung mit eingestellt werden

Innerhalb einer Familie geht es nicht immer harmonisch zu.

So ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass es insbesondere im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern immer wieder zu Reibereien kommt.

Solche kleineren Scharmützel sind zuweilen ganz heilsam und nie ganz zu vermeiden.

Oft beruhigt sich die Lage auch relativ schnell wieder und die Protagonisten sehen ein, dass man trotz aller Meinungsverschiedenheiten doch aneinander hängt.

Beleidigungen innerhalb einer Familie

Zuweilen eskalieren aber die Beziehungen der Beteiligten auch und es kommt zu manchmal durchaus handfesten gegenseitigen Schmähungen.

Solche familieninternen Vorgänge erfüllen zuweilen den Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB (Strafgesetzbuch). Nur in den seltensten Fällen kommt eine Beleidigung im Familienkreis aber überhaupt zur Anzeige.

Wesentlich häufiger führt ein Zerwürfnis im Verhältnis der Eltern zu einem Kind allerdings zu Überlegungen auf Seiten der Eltern, ob man das Kind, von dem die beleidigenden Äußerungen ausgegangen sind, nicht von der Erbfolge ausschließen kann.

Enterbung ist einfach – Entzug des Pflichtteils ist kompliziert

Für betroffene Eltern ist es grundsätzlich kein Problem, ein ausfallend gewordenes Kind in einem Testament von der eigenen Erbfolge auszuschließen. Man ist nämlich grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, wen man als eigenen Erben und Rechtsnachfolger in seinem letzten Willen benennt.

Das Problem an jeder Enterbung ist aber, dass einem enterbten Kind nach dem Eintritt des Erbfalls der Eltern regelmäßig ein Anspruch auf seinen Pflichtteil nach den §§ 2303 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zusteht.

Über diesen Pflichtteil wird das Kind dann eben doch am Nachlass der Eltern beteiligt.

Wann kann man den Pflichtteil entziehen?

Nur für Extremfälle sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, einem Pflichtteilsberechtigten sogar seinen Pflichtteil zu entziehen und den Betroffenen auf diesem Weg komplett zu enterben.

Die Gründe, die einen Entzug des Pflichtteils rechtfertigen, sind abschließend in § 2333 BGB aufgeführt.

Auch eine Beleidigung kann dabei ein von der Rechtsordnung akzeptierter Grund sein, einem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil zu entziehen.

Beleidigung als Grund für den Entzug des Pflichtteils

Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling (bzw. dem Ehegatten oder den Eltern) den Pflichtteil entziehen, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte

„eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, den Ehegatten des Erblassers, gegen einen anderen Abkömmling des Erblassers oder gegen eine dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person schuldig macht.“

Eine Beleidigung kann nach der einschlägigen Kommentarliteratur (regelmäßig mit nicht ganz zutreffendem Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - BGH, Urteil vom 01.03.1974, Az.: IV ZR 58/72) ein schweres Vergehen im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellen.

In der Literatur wird aber regelmäßig betont, dass eine einzelne, wenn auch grobe, Beleidigung nicht ausreicht, um den Pflichtteil zu entziehen.

In der Beleidigung muss auch gleichzeitig eine „schwere Pietätsverletzung“ liegen, um einen Entzug des Pflichtteils zu rechtfertigen.

Hohe Hürden für einen Pflichtteilsentzug

Im Einzelfall muss immer in Betracht gezogen werden, wie es zu der fraglichen Beleidigung gekommen ist. Mit anderen Worten: Hat der Erblasser selber „ausgeteilt“ oder Anlass für die Beleidigung gegeben, kann dies dazu führen, dass das Verhalten des Pflichtteilsberechtigten in einem etwas milderen Licht erscheint.

Die Hürden für einen Entzug des Pflichtteils wegen einer Beleidigung sind hoch. Entsprechend sind kaum neuere Urteile bekannt, bei denen Gerichte den Pflichtteilsentzug wegen einer Beleidigung für gerechtfertigt hielten.

In einer – nicht sonderlich gut begründeten – Entscheidung hat allerdings unlängst das Landgericht Hannover den Entzug eines Pflichtteils wegen einer Beleidigung des Erblassers durch einen Abkömmling als berechtigt angesehen (LG Hannover, Urteil vom 13.05.2019, 12 O 197/19).

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