Mit Hilfe einer transmortalen Vollmacht kann der Bevollmächtigte nach dem Erbfall ein Grundstück auf sich übertragen – Der Erbe muss nicht zustimmen
OLG Frankfurt – Beschluss vom 09.03.2015 – 20 W 49/15
- Erblasser erteilt zu Lebzeiten eine umfassende Vollmacht
- Nach dem Tod des Erblassers wird die Vollmacht ohne Kenntnis des Erben für ein Grundstücksgeschäft eingesetzt
- Grundbuchamt verweigert den Vollzug des Rechtsgeschäftes
In einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit hatte das Oberlandesgericht Frankfurt zu entscheiden, ob eine vom Erblasser zu Lebzeiten erteilte Vollmacht ausreicht, damit der Vollmachtnehmer ein zum Nachlass gehörendes Grundstück auf sich überträgt.
Der Erblasser und seine Ehefrau hatten sich in einem gemeinsamen Testament gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Weiter bestimmte das Testament, dass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten eine Stiftung als Schlusserbin das Vermögen des Ehepaars erhalten soll.
Die Ehefrau war im Jahr 2012 vorverstorben. Der Ehemann verstarb Ende des Jahres 2014.
Erblasser erteilt zu Lebzeiten umfangreiche Vollmachten
Kurz vor seinem Ableben hatte der Ehemann und Erblasser Ende 2014 zwei verschiedenen Personen eine umfangreiche Vollmacht erteilt. Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde sollten jeder der beiden Bevollmächtigten den Erblasser sowohl vor als auch nach seinem Ableben in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, gerichtlich und außergerichtlich vertreten dürfen.
Die Vollmacht erstreckte sich ausdrücklich auch darauf, Grundbesitz zu erwerben, zu veräußern und zu belasten. Weiter war in der Vollmacht klargestellt, dass die Bevollmächtigten mit Hilfe der Vollmacht auch Rechtsgeschäfte mit sich selber eingehen durften.
Mit dieser Vollmacht ausgestattet suchte eine der Bevollmächtigten kurz nach dem Ableben des Erblassers einen Notar auf und ließ dort einen Übertragungsvertrag über eine zum Nachlass gehörende Immobilie beurkunden. Die Immobilie sollte nach dem Inhalt des Vertrages zu gleichen Teilen auf die Bevollmächtigte und ihre beiden minderjährigen Kinder übertragen werden. Eine Gegenleistung für die Übertragung der Immobilie sah der Vertrag nicht vor.
Grundbuchamt will die Erbin schützen
Das Grundbuchamt weigerte sich aber, den Übertragungsvertrag zu vollziehen. Es forderte von der Bevollmächtigten einen Nachweis, wonach die alleinige Erbin des Erblassers, die im Testament benannte Stiftung, mit der Übertragung der Immobilie einverstanden sei.
Nach Auffassung des Grundbuchamtes führe nämlich der Gebrauch einer noch vom Erblasser erteilten transmortalen Vollmacht zu einer Vertretung der Erben. Insbesondere wenn sich der Bevollmächtigte mit Hilfe der Vollmacht schenkweise aus dem Nachlass bediene, müsse der Nachweis geführt werden, dass der Erbe von diesem Vorgang wisse und damit auch einverstanden sei.
Gegen dieses Ansinnen des Grundbuchamtes, wonach für das Grundstückgeschäft eine Genehmigung des Erben vorgelegt werden solle, legte die Bevollmächtigte Beschwerde zum OLG ein.
Beschwerde zum Oberlandesgericht ist erfolgreich
Das von der Bevollmächtigten eingelegte Rechtsmittel hatte tatsächlich auch Erfolg. Das Grundbuchamt wurde vom OLG angewiesen, die den Vollzug des Übertragungsvertrages jedenfalls nicht an der fehlenden Genehmigung durch die alleinige Erbin scheitern zu lassen.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die Bevollmächtigte im vorliegenden Fall auf Grund der Ermächtigung des Erblassers die Befugnis erworben habe, innerhalb der ihr eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung des bzw. der Erben zu verfügen.
Es sei für die Wirksamkeit der Übertragung dabei unschädlich, dass die Bevollmächtigte den Übertragungsvertrag nicht ausdrücklich im Namen der Erbin abgeschlossen habe. Ebenso wenig sei es notwendig, dass die Erbin überhaupt von dem Vorgang Kenntnis habe.
Vollmacht deckt auch eine Schenkung des Grundstücks ab
Die vom Erblasser erteilte Vollmacht sei, so das Gericht, sehr weit gefasst gewesen und habe ausdrücklich alle vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfasst. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass in der Vollmacht auch explizit eine schenkweise Übertragung der Immobilie erwähnt worden sei.
Bis zu einem – jederzeit möglichen – Widerruf der Vollmacht durch den Erben sei der Inhalt der Vollmacht gültig und in vollem Umfang zu respektieren. Eine Zustimmung des Erben zu Rechtsgeschäften des Bevollmächtigten sei regelmäßig nicht erforderlich.
Im Ergebnis musste die Übertragung der Immobilie im zu entscheidenden Fall demnach vom Grundbuchamt vollzogen werden.
Die Immobilie schied damit nach dem Erbfall aus dem Nachlass aus.
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