Ich werde Erbe – Bin ich bereits zu Lebzeiten des Erblassers abgesichert?
- Zu Lebzeiten kann der Erblasser mit seinem Vermögen machen, was er will
- Erbenstellung in Erbvertrag oder gemeinsamen Ehegattentestament kann bindend sein
- Lebzeitige Schenkungen des Erblasser beeinflussen den Pflichtteil
Die Aussicht auf eine Erbschaft kann beim Erben durchaus zwiespältige Gefühle auslösen.
Er verliert auf der einen Seite einen ihm nahe stehenden Verwandten oder Freund, auf der anderen Seite ist eine Erbschaft für den Erben oft genug mit einer deutlichen Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse verbunden.
Je nach Einzelfall verschieben sich manchmal die Perspektiven des zukünftigen Erben.
Erben kann man erst, wenn der Erblasser verstorben ist
So soll es hin und wieder vorkommen, dass es dem Erben mit dem Eintritt des Erbfalls und dem damit verbundenen Vermögensübergang gar nicht schnell genug gehen kann.
Gerade in solchen Fällen, in denen der Fokus des Erben tatsächlich auf der Mehrung des eigenen Vermögens liegt, breitet sich vor Eintritt des Erbfalls bei dem Erben zuweilen Unruhe aus.
Dies liegt meist daran, dass das deutsche Erbrecht für den Erbgang eine relativ klare zeitliche Abfolge vorsieht.
Nach § 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sieht das Gesetz nämlich vor, dass das Vermögen eines Erblassers erst mit dessen Tod auf den Erben übergeht. Das bedeutet für den Erben zweierlei:
Der Erblasser kann mit seinem Vermögen machen, was er will
Vor dem tatsächlichen Ableben des Erblassers hat der zukünftige Erbe an dem Erblasservermögen keinerlei Rechte.
Der Erbe hat vor dem Erbfall allenfalls eine – rechtlich nicht belastbare – Erwerbsaussicht, für die er sich aber im Zweifel nichts kaufen kann.
Ein Zugriff auf einzelne Nachlasswerte ist für den zukünftigen Erben vor Eintritt des Erbfalls grundsätzlich ausgeschlossen.
Ein weiterer Aspekt bereitet dem Erben in spe regelmäßig noch viel größere Kopfschmerzen:
Soweit der Erblasser nämlich in einem geschäftsfähigen Zustand ist, darf er mit seinem Vermögen bis zu seinem Ableben manchen, was er will.
Der Erblasser kann sein Vermögen verschenken oder verschleudern
So kann man den Erblasser beispielsweise nicht daran hindern, sein Vermögen noch kurz vor seinem Ableben zu verschenken oder durch einen aufwändigen Lebensstil deutlich zu minimieren.
Es ist dem Erblasser auch unbenommen, noch am Tag vor seinem Ableben seine Erbfolge komplett auf den Kopf zu stellen und in einem neuen Testament einen ganz neuen Erben einzusetzen.
Nicht selten wurden auf diesem Weg die ehedem berechtigten Erwerbsaussichten eines Erben schon bitter enttäuscht.
Ausnahmsweise: Die Stellung des Erben ist bereits vor dem Erbfall abgesichert
In Anbetracht solcher Szenarien interessiert sich ein zukünftiger Erbe naturgemäß für die Frage, ob seine Aussicht auf das Vermögen des Erblassers nicht doch in irgendeiner Form abgesichert ist.
Tatsächlich sieht das Gesetz in Ausnahmefällen hier Rechte für den Erben vor, mit deren Hilfe er seine Erbschaft gegen beeinträchtigende Verfügungen des Erblassers schützen kann.
Der Erbe im Erbvertrag und im gemeinschaftlichen Ehegattentestament
Eine solche besondere Stellung genießt zum Beispiel der in einem Erbvertrag vertragsmäßig eingesetzte Erbe bzw. der Erbe, der in einem bindend gewordenen Ehegattentestament als Rechtsnachfolger eingesetzt wurde.
Der Erbvertragserbe bzw. der in einem bindenden gemeinschaftlichen Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe ist nämlich nach § 2287 BGB (in direkter bzw. analoger Anwendung) vor ihn beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers geschützt.
Soweit der Erblasser also versucht, das Erbrecht eines bindend eingesetzten Erben durch lebzeitige Transaktionen mit Beeinträchtigungsabsicht auszuhöhlen, steht dem Erben gegen den Beschenkten ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes zu.
Von Gerichten wird hier zum Teil vertreten, dass der bindend eingesetzte Erbe bereits vor dem eigentlichen Erbfall gegen den Beschenkten eine Klage vor Gericht anstrengen kann, mit der er sein (zukünftiges) Herausgaberecht feststellen lassen kann.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch hilft bei Schenkungen des Erblassers
Der worst case tritt für den zukünftigen Erben dann ein, wenn ihn der Erblasser in seinem letzten Willen von der Erbfolge ausgeschlossen hat.
In diesem Fall muss sich der Erbe um seine zukünftigen Erwerbsaussichten und den Nachlass keine Gedanken mehr machen.
Soweit das Testament oder der Erbvertrag, mit dem er von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, wirksam ist, verliert der Betroffene seine Erbenstellung und kann erst gar keine Rechte am Nachlass mehr geltend machen.
Nur dann, wenn der so Enterbte zum Kreis der pflichtteilsberechtigten nächsten Familienmitgliedern des Erblassers gehört, verbessert sich seine Rechtsposition im Falle einer Enterbung wieder.
Nahe Familienangehörige haben einen Pflichtteilsanspruch
Abkömmlinge, der Ehepartner und unter Umständen sogar die Eltern des Erblassers haben nämlich im Falle ihrer Enterbung einen Anspruch auf den so genannten Pflichtteil.
Dieser beträgt wertmäßig genau die Hälfte des gesetzlichen Erbteils des Betroffenen und ist regelmäßig nach Eintritt des Erbfalls vom Erben einzufordern.
Wenn ein Anspruch auf den Pflichtteil besteht, dann werden unter Umständen auch wieder lebzeitige Verfügungen des Erblassers für den Pflichtteilsberechtigten interessant.
Nach § 2325 BGB führen nämlich Schenkungen des Erblassers, die dieser in den letzten zehn Jahren vor dem Eintritt des Erbfalls vorgenommen hat, zu einem so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Schenkungen des Erblassers haben Auswirkungen auf den Pflichtteil
Die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers haben also Einfluss auf die Höhe des Pflichtteils.
Im Ergebnis schützt der Pflichtteilsergänzungsanspruch also einen potentiellen Erben vor Verfügungen des Erblassers, die ihn beeinträchtigen.
Mit der Geltendmachung eines Pflichtteilergänzungsanspruchs muss der Anspruchsinhaber allerdings bis zum Eintritt des Erbfalls warten.
Der Ausgleich unter Abkömmlingen
Ein weiterer Schutzmechanismus zugunsten zukünftiger Erben versteckt sich in den §§ 2050 ff. BGB.
Danach müssen nämlich Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers lebzeitige Leistungen des Erblassers im Erbfall unter bestimmten Umständen untereinander zum Ausgleich bringen.
Derjenige Abkömmling, der bereits zu Lebzeiten Leistungen vom Erblasser erhalten hat, bekommt dann im Erbfall weniger.
Ein Ausgleichsanspruch nach den §§ 2050 ff. BGB schützt also in gewissem Umfang den zukünftigen Erben, so er denn ein Abkömmling des Erblassers ist.
Auch der Ausgleichsanspruch nach den §§ 2050 ff. BGB spielt aber erst nach Eintritt des Erbfalls eine Rolle und kann erst dann geltend gemacht werden.
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