Erbscheinverfahren – Wer muss vom Gericht beteiligt werden?
OLG München – Beschluss vom 08.11.2016 – 31 Wx 254/16
- Erblasser hinterlässt unklares Testament
- Nachlassgericht verweigert einem im Testament Begünstigten die Teilnahme am Nachlassverfahren
- Oberlandesgericht hebt die Entscheidung des Nachlassgerichts auf
Das Oberlandesgericht München hatte zu klären, ob eine Person, deren erbrechtliche Stellung in einem vorliegenden Testament nicht klar war, an einem Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins beteiligt werden muss.
In der Angelegenheit hatte der Erblasser am 05.09.2009 ein Testament errichtet. In diesem Testament hatte der Erblasser unter anderem folgendes angeordnet:
"Ferner ist mein Wille, dass Herr ................Wohnung nach Wahl von 4 erhält, die das "lebenslange" Wohnrecht gewährleistet."
Von einem anderen Beteiligten wurde beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt. Der in dem Testament mit der Wohnung bedachte Beteiligte beantragte beim Nachlassgericht, dass er an diesem Erbscheinverfahren beteiligt wird. Es könne aufgrund der Formulierung in dem Testament nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass er in der Nachlassangelegenheit als Erbe in Frage komme.
Nachlassgericht verweigert dem Betroffenen die Stellung als Beteiligter
Das Nachlassgericht weigerte sich aber, den Betroffenen am Verfahren zu beteiligen. Es teilte mit, dass seiner Auffassung nach lediglich die Stadt München als Erbe in Betracht komme und dem Betroffenen alleine die Stellung eines Vermächtnisnehmers zukomme. Als Vermächtnisnehmer habe er aber keinen Anspruch, am Nachlassverfahren beteiligt zu werden.
Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein und bekam dort auch Recht.
In der Begründung seiner Beschwerdeentscheidung verwies das OLG darauf, dass nach § 345 FamFG am Nachlassverfahren diejenigen Personen zu beteiligen sind, die entweder einen Antrag gestellt haben, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird sowie diejenigen, die als sog. Kann-Beteiligte einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt haben.
OLG: Im Zweifel ist eine Person am Nachlassverfahren zu beteiligen
Es seien im Zweifel auch diejenigen Personen am Verfahren zu beteiligen, deren Recht sich erst nach Auslegung einer letztwilligen Verfügung ergebe oder die in einem aufgehobenen Testament als Erben benannt sind.
Nach diesen Grundsätzen sei der Beschwerdeführer, so das OLG, an dem Verfahren zu beteiligen.
Beteiligter im Sinne von § 345 FamFG sei bereits derjenige, dessen behauptetes Recht nicht von vornherein als gänzlich fern liegend anzusehen ist.
Bei der Frage, ob Beteiligtenrechte im Verfahren gewährt werden, müsse dabei noch keine abschließende Wertung darüber abgegeben werden, ob einer Person am Ende tatsächlich die Rechtsstellung als Erbe zukomme oder ob er nur als Vermächtnisnehmer anzusehen ist.
Erbenstellung des Betroffenen ist nicht vollkommen ausgeschlossen
Im zu entscheidenden Fall hielt es das OLG auch nicht für vollkommen ausgeschlossen, dass dem Betroffenen auf Grundlage der – unklaren – Anordnung in dem Testament die Rolle eines Erben zufallen könne.
In der Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstandes, wie vorliegend einer Immobilie, könne unter Umständen durchaus eine Erbeinsetzung liegen.
Um diese Frage aber abschließend zu klären, müsse der Betroffene eben am Verfahren beteiligt werden, damit ihm auch rechtliches Gehör gewährt werden könne.
Der Beschluss des Nachlassgerichts wurde mithin aufgehoben und der Betroffene war am Verfahren zu beteiligen.
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