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Wann wird eine Pflichtteilsklausel in einem gemeinsamen Ehegattentestament ausgelöst?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 06.12.2018 – 31 Wx 374/17

  • Berliner Testament der Eltern enthält Pflichtteilsklausel
  • Ein Kind beantragt nach dem Tod des Vaters, den Erbschein der Mutter einzuziehen
  • Nach dem Tod der Mutter gibt es Streit um die Erbteile

Das Oberlandesgericht München hatte in einer Erbscheinsangelegenheit über die Frage zu befinden, ob eine Erbin durch ihr Verhalten eine in einem gemeinsamen Ehegattentestament enthaltene Pflichtteilsklausel ausgelöst hatte.

In der Angelegenheit hatte ein Ehepaar ein gemeinsames Testament errichtet. In diesem Testament hatten sich die Eheleute zunächst wechselseitig als Alleinerben eingesetzt.

Nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners sollten nach dem Willen des Ehepaares die gemeinsamen Kinder, ein Sohn und eine Tochter, Erben des Familienvermögens werden.

Eltern nehmen in ihr Testament eine Pflichtteilsklausel auf

Um die Kinder im ersten Erbfall von der Geltendmachung ihres Pflichtteils abzuhalten, enthielt das Testament eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel. Danach sollte dasjenige Kind, das im ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt, im zweiten Erbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sein und ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten.

Der Ehemann verstarb im Jahr 2008. Nach dem Tod des Ehemannes beantragte die Ehefrau beim Nachlassgericht Starnberg die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ihres Ehemannes ausweisen sollte.

Dieser Erbschein wurde der Ehefrau auch erteilt.

Tochter beantragt die Einziehung des Erbscheins

Dann geschah jedoch Unerwartetes: Die Tochter stellte beim Nachlassgericht den Antrag, der der Mutter erteilte Erbschein möge als unrichtig eingezogen werden. Zur Begründung dieses Antrags wies die Tochter darauf hin, dass das Testament der Eltern unwirksam sei, da die Testamensturkunde Auffälligkeiten enthalte und auch der Testierwille des Ehemannes und Erblassers in Zweifel gezogen werden müsste.

Der Antrag der Tochter auf Einziehung des ihrer Mutter erteilten Erbscheins wurde in der Folge als unbegründet abgelehnt.

Nach dem Tod der Mutter beantragte die Tochter dann ihrerseits beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie aufgrund des Testaments ihrer Eltern neben ihrem Bruder als Erbe zu ½ ausweisen sollte.

Bruder beruft sich auf die Pflichtteilsklausel

Hiergegen wandte sich aber der Bruder. Er beantragte einen Erbschein, der ihn als alleinigen Erben seiner Mutter vorsehen sollte. Zur Begründung dieses Antrages wies der Bruder darauf hin, dass sich seine Schwester mit ihrem Verhalten nach dem Tod des Familienvaters und insbesondere mit dem Antrag, den der Mutter erteilten Erbschein wieder einzuziehen, gegen das Testament der Eltern aufgelehnt habe.

Damit habe die Schwester auch die in dem Testament vorgesehene Pflichtteilsklausel verwirkt, was zu ihrer Enterbung im zweiten Erbfall führe.

Das Nachlassgericht signalisierte, dass es den Einwänden des Bruders nicht folgen wolle und den von der Schwester beantragten Erbschein erteilten wolle.

Beschwerde zum OLG

Hiergegen legte der Bruder Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Die Beschwerde wurde vom OLG aber als unbegründet zurückgewiesen. Der von der Tochter beantragte Erbschein wurde erteilt.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die in dem Testament der Eltern vorgesehene Pflichtteilsstrafklausel vorliegend nicht greife.

Der Antrag der Tochter, den Erbschein der Mutter einziehen zu lassen, sei nicht mit der – sanktionierten – Geltendmachung des Pflichtteils zu vergleichen.

Pflichtteilsklausel im Testament muss notfalls ausgelegt werden

Zwar müsse notfalls im Wege der Auslegung geklärt werden, welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der Pflichtteilsausschlussklausel erfüllt sein müssen. Die würde, so das OLG, im Einzelfall von der Gestaltung bzw. Formulierung der Klausel und dem Willen der Erblasser abhängen.

Im zu entscheidenden Fall könne man der Pflichtteilsklausel aber nicht entnehmen, dass diese bereits dann greifen soll, wenn eines der Kinder nach dem ersten Erbfall die Einziehung des Erbscheins beantragt. Damit sei schließlich kein aktiver Zugriff auf das Nachlassvermögen des zuerst versterbenden Ehepartners verbunden.

Im Ergebnis wurde ein Erbschein erteilt, der beide Kinder zu gleichen Teilen als Erben auswies.

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