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Lebensgefährtin des Bruders wird Erbin - Schwestern fechten Testament des Bruders an

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Bamberg - Beschluss vom 19.06.2012 - 6 W 20/12

  • Erblasser errichtet kurz vor seinem Tod ein notarielles Testament
  • Die Schwestern des Erblassers wollen die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin des Erblassers nicht akzeptieren
  • Der Vortrag des Schwestern überzeugt die Gerichte nicht

In einem vom OLG Bamberg erlassenen Beschluss wurde ein zugunsten einer Lebensgefährtin eines Erblassers ergangener Erbschein bestätigt.

Die gesetzlichen Erben des Erblassers, seine Schwestern, wollten sich nicht mit der durch notarielles Testament erfolgten Erbeinsetzung der Lebensgefährtin ihres Bruders anfreunden.

Gesetzliche Erben greifen das Testament des Erblassers an

Sie griffen den von der Lebensgefährtin gestellten Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der die Lebensgefährtin als Alleinerbin ausweisen sollte, mit der Begründung an, dass ihre Bruder als Erblasser seinen letzten Willen im Zustand der Testierunfähigkeit verfasst habe.

Weder das für die Ausstellung des Erbscheins zuständige Nachlassgericht noch das Oberlandesgericht als Beschwerdeinstanz konnten dieser Argumentation viel abgewinnen.

Der Erblasser war im Mai 2009 verstorben und hatte die Jahre vor seinem Tod mit seiner Lebensgefährtin verbracht. Verheiratet waren die beiden nicht.

Sieben Tage vor dem Tod errichtet der Erblasser ein Testament

Sieben Tage vor seinem Tod bat der Erblasser einen Notar zu sich nach Hause und errichtete mit dessen Hilfe ein notarielles Testament. In diesem Testament wurde die langjährige Lebensgefährtin als alleinige Erbin eingesetzt.

Die Lebensgefährtin beantragte nach dem Versterben ihres Partners auf Grundlage des vorliegenden Testaments beim Nachlassgericht die Ausstellung eines Erbscheins.

Im Rahmen dieses Verfahrens meldeten sich die beiden Schwestern und ließen wissen, dass sie den von der Lebensgefährtin des Erblassers gestellten Erbscheinsantrag für unberechtigt hielten.

War der Erblasser testierfähig?

Ihrer Auffassung nach sei der Erblasser, ihr Bruder, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen. Dem Erblasser, so seine Schwestern, sei im entscheidenden Moment "ein klares Denken nicht mehr möglich" und er sei "zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage" gewesen.

Diese Behauptungen würzten die beiden Schwestern des Erblassers noch mit dem Vortrag, dass die Lebensgefährtin zu Verschaffung eines eigenen materiellen Vorteils nicht vor "unlauteren Mitteln zurückschrecke". Ihrer Auffassung nach sollte ein Erbschein ausgestellt werden, der die beiden Schwestern als gesetzliche Erben zu je 1/2 ausweisen solle.

Nachdem das Nachlassgericht ausrichten ließ, dass es den Erbscheinsantrag der Lebensgefährtin für sehr wohl begründet hielt, legten die beiden Schwestern Beschwerde zum OLG Bamberg ein.

Schwestern des Erblassers legen Beschwerde zum OLG ein

Sie beklagten in ihrer Beschwerde insbesondere, dass das Nachlassgericht den Hausarzt des Erblassers nicht zur Frage der Testierfähigkeit gehört und es auch unterlassen habe, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Tatsächlich holte das OLG im Beschwerdeverfahren noch eine schriftliche Stellungnahme des Hausarztes des Erblassers ein. Auch auf Grundlage dieser Aussage des Arztes fand das Gericht dann aber deutliche Worte zu dem Vortrag der beiden Schwestern.

So wies das Gericht darauf hin, dass die Aussage der Beschwerdeführerinnen, der Erblasser sei wegen der Einnahme starker Medikamente testierunfähig gewesen, schlicht unzutreffend war.

Medikamente hatten keinen Einfluss auf die Testierfähigkeit des Erblassers

Der behandelnde Arzt hatte demgegenüber nämlich ausgesagt, dass die Medikamente keinerlei Einfluss auf die geistigen Fähigkeiten des Erblassers gehabt hätten.

Weiter wies das Beschwerdegericht darauf hin, dass auch der das Testament beurkundende Notar mitgeteilt habe, dass der Erblasser "voll informiert" und alles andere als testierunfähig auf ihn gewirkt habe.

Als Indiz wertete das Gericht weiter die Stellungnahme eines Anwalts, der bezeugte, dass ihn der Erblasser bereits im Jahr 2008 um Vorlage von Testamentsentwürfen gebeten habe, mit deren Hilfe er seine Lebensgefährtin erbrechtlich absichern und seine Schwestern von der Erbfolge ausschließen wollte.

Kein Anlass für die Einholung eines Gutachtens

Für die ergänzende Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sah das Gericht in Anbetracht dieser Sachlage keine Veranlassung.

Es teilte den Beschwerdeführerinnen vielmehr mit, dass es an jeglichen Anhaltspunkten mangele, die "Anlass zu Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers" geben würden.

Abschließend wies das Gericht noch darauf hin, dass ein - von den beiden Schwestern problematisiertes - wirtschaftliches Interesse der Lebensgefährtin an der Erbeinsetzung nicht vom Normalfall abweichen würde und mit der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers nichts zu tun habe.

Der beantragte Erbschein wurde der Lebensgefährtin des Erblassers danach antragsgemäß erteilt.

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