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Pflichtteil und Auskunftspflicht des Erben – Hat der Pflichtteilsberechtigte in jedem Fall ein Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Zweibrücken – Beschluss vom 07.09.2015 – 3 W 89/15

  • Verzögerte Vorlage eine notariellen Nachlassverzeichnisses führt zur Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Erbin
  • Beschwerde gegen Zwangsgeldbeschluss ist erfolgreich
  • Gericht lässt auch unbotmäßiges Verhalten des Pflichtteilsberechtigten in die Entscheidung einfließen

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hatte über die Frage zu urteilen, ob ein Pflichtteilsberechtigter bei der Aufnahme des Nachlasses durch einen Notar in jedem Fall ein Anwesenheitsrecht hat.

Die Angelegenheit begann wie viele andere Streitigkeiten um den Pflichtteil. Die Erblasserin war am 25.02.2013 verstorben. Im Nachlass befanden sich Grundbesitz und sonstiges Vermögen.

Die Erblasserin hatte mit notariellem Testament vom 01.12.1995 ihre Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Ihre beiden Söhne schloss die Erblasserin hingegen in diesem Testament mit der Bemerkung aus, dass sie bereits zu Lebzeiten genug bekommen hätten.

Söhne der Erblasserin machen Pflichtteil gegen ihre Schwester geltend

Nach dem Erbfall machten die Söhne gegen ihre Schwester Pflichtteilsansprüche nach § 2303 BGB geltend. Sie forderten ihre Schwester im April 2013 erstmals dazu auf, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen, § 2314 BGB.

Dieses von einem Notar erstelltes Nachlassverzeichnis wurde im Mai 2013 vorgelegt.

Der Notar hatte hierbei allerdings lediglich die beweglichen Gegenstände in der Nachlassimmobilie in Augenschein genommen. Weitere Angaben zum Nachlass hatte er von der Alleinerbin erhalten und in sein Nachlassverzeichnis übernommen.

Pflichtteilsberechtigter hält das Nachlassverzeichnis für unzureichend

Die beiden enterbten Brüder hielten das von der Erbin vorgelegte Nachlassverzeichnis für unzureichend und erhoben Klage. Das Landgericht bewertete das vorliegende Nachlassverzeichnis ebenfalls als nicht ausreichend und verurteilte die Erbin antragsgemäß zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines (weiteren) notariellen Verzeichnisses.

Nachdem der pflichtteilsberechtigte Kläger daraufhin keine Reaktion seitens der Erbin feststellen konnte, beantragte er bei Gericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Erbin, um diese zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten.

Die Erbin ließ daraufhin wissen, dass die Verzögerung nicht von ihr verschuldet sei. Vielmehr ließ der Notar, der bereits das erste Nachlassverzeichnis erstellt hatte, wissen, dass er keine Notwendigkeit für die Ergänzung des bereits vorliegenden Verzeichnisses sehe.

Notar benötigt Unterstützung von der Landgerichtpräsidentin

Erst nach Intervention der Präsidentin des Landgerichts erklärte sich der Notar schließlich bereit, das Verzeichnis zu ergänzen. Dieses wurde schließlich Ende Mai 2015 vorgelegt.

Im Juli 2015 verhängte das Landgericht dann aber noch wegen der verzögerten Vorlage des Verzeichnisses ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen die Erbin.

Gegen dieses Zwangsgeld legte die Erbin Beschwerde zum OLG ein und bekam im Ergebnis Recht.

Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten sei, so das OLG, durch die Erbin durch Vorlage der notariellen Nachlassverzeichnisse vom Mai 2013 und vom Mai 2015 in hinreichender Weise erfüllt worden. Es bestehe daher keine Veranlassung für ein Zwangsgeld.

Notar muss den Nachlassbestand selbstständig ermitteln

Dabei ging das OLG davon aus, dass ein Notar bei einem notariellen Nachlassverzeichnis den Umfang der Erbschaft selbst ermitteln und den Nachlassbestand auch selber feststellen müsse. Dabei könne er aber zunächst von den Angaben des auskunftspflichtigen Erben ausgehen.

Diesen Anforderungen würde das vorgelegte Verzeichnis entsprechen. Zweifel des Pflichtteilsberechtigten an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses bewertete das OLG pauschal als „unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein.“

Weiter hielt das OLG auch den Einwand des Pflichtteilsberechtigten, wonach das Nachlassverzeichnis alleine deswegen unzureichend sei, weil er, der Pflichtteilsberechtigte, im Rahmen der Überarbeitung des Verzeichnisses nicht persönlich hinzugezogen worden sei, für nicht durchschlagend.

Zwar stehe ein solches Anwesenheitsrecht dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich zu, es habe aber bei dem Notartermin aus dem Jahr 2015 „keine Rolle“ mehr gespielt. Dies gelte umso mehr, so das OLG, als die vom Notar verarbeiteten Unterlagen dem Nachlassverzeichnis beigefügt waren und dem Pflichtteilsberechtigten demnach zugänglich waren.

Verhalten des Pflichtteilsberechtigten schadet ihm am Ende selber

Schließlich wertete das Gericht auch ein die Erbin und ihre Familie „in unflätiger Weise herabwürdigende und beleidigende Schreiben" des Pflichtteilsberechtigten als ausreichenden Grund, warum der Pflichtteilsberechtigte sein persönliches Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses verwirkt habe.

Im Ergebnis blieb die Erbin mithin zwar nicht von ihrem Bruder, aber doch von dem bereits festgesetzten Zwangsgeld verschont.

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