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Vorerbe darf über Grundstück verfügen - Nacherbenvermerk im Grundbuch ist zu löschen

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München - Beschluss vom 02.09.2014 - 34 Wx 415/13

  • Befreiter Vorerbe will Nachlassimmobilie veräußern
  • Grundbuchamt will Nacherbenvermerk im Grundbuch nicht löschen
  • OLG korrigiert das Grundbuchamt und geht nicht von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft aus

Das Oberlandesgericht München hatte darüber zu befinden, ob das Grundbuchamt Starnberg zurecht die Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch verweigert hatte.

Der Verkäufer einer Wohnung war im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die eine Hälfte der Immobilie gehörte dem Eigentümer ohne jegliche Belastung. Die zweite Hälfte der Wohnung hatte der Eigentümer jedoch im Erbgang als Vorerbe erworben.

Entsprechend war im Grundbuch bezüglich der zweiten Hälfte zum Schutz des Nacherben ein Nacherbenvermerk eingetragen.

Erblasser hatte den Vorerben von gesetzlichen Beschränkungen befreit

Der Veräußerer war jedoch bezüglich der mit der Nacherbschaft belasteten Wohnungshälfte vom Erblasser von den Beschränkungen des § 2313 Abs. 1 BGB befreit worden. Dem Grunde nach war er also auch als Vorerbe berechtigt, über die belastete Immobilienhälfte zu verfügen.

Der Immobilieneigentümer veräußerte das Grundstück an einen Erwerber zu einem Kaufpreis von 215.000 Euro. Gleichzeitig sah der Grundstückskaufvertrag vor, dass zugunsten des Veräußerers ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an der Wohnung bestellt werden sollte.

Das Grundbuchamt vollzog den Kaufvertrag insoweit, als es den Erwerber als neuen Eigentümer in das Grundbuch aufnahm und ebenfalls das vereinbarte Nießbrauchsrecht als Belastung im Grundbuch vermerkte.

Das Grundbuchamt weigerte sich hingegen, den für die eine Wohnungshälfte bestehenden Nacherbenvermerk zu löschen. Das Grundbuchamt vertrat insoweit die Auffassung, dass von einer teilweisen Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes zwischen Veräußerer und Erwerber auszugehen sei.

Grundbuchamt geht von einer teilweise unentgeltlichen Übertragung der Immobilie aus

Bei einer (auch nur teilweisen) unentgeltliche Weitergabe der Immobilie könne der Nacherbenvermerk im Interesse des Nacherben nicht gelöscht werden.

Das Grundbuchamt begründete seine Entscheidung mit dem Umstand, dass die Wohnung im Jahr 2005 noch für einen Kaufpreis von 465.000 Euro erworben worden sei. In Anbetracht dieser Zahl bleibe bei einem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 215.000 Euro mitsamt dem vorbehaltenen Nießbrauch immer noch ein unentgeltlicher Teil.

Gegen diese Entscheidung des Grundbuchamtes legte der den Vorgang beurkundende Notar Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Nach Anhörung des Nacherben gab das Oberlandesgericht der Beschwerde des Notars statt. Das Grundbuchamt wurde angewiesen, den Nacherbenvermerk in dem betroffenen Grundbuchblatt zu löschen.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass ein Nacherbenvermerk jedenfalls dann zu löschen sei, wenn das betroffene Grundstück aus dem Nachlass ausgeschieden sei.

Für eine (auch nur teilweise) unentgeltliche Verfügung über eine Immobilie benötigt der Vorerbe jedoch die Zustimmung des Nacherben. Erst nach Zustimmung des Nacherben könne bei einer unentgeltlichen Verfügung der Nacherbenvermerk gelöscht werden.

OLG verneint Unentgeltlichkeit

Unentgeltlich sei eine Verfügung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand dann, so das OLG, "wenn seiner Leistung, mithin dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert, objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder hätte erkennen müssen".

Eine entgeltliche Verfügung sei hingegen nach der Kommentarliteratur (vgl. Demharter § 51 Rn. 42 und § 52 Rn. 23 m. w. N.; Meikel/Hertel GBO 10. Aufl. § 29 Rn. 439) dann anzunehmen, "wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind".

Dies vorausgeschickt verneinte das OLG im zu entscheidenden Fall die Unentgeltlichkeit des Geschäftes. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Veräußerer und Vorerbe die Immobilie unter Wert verkaufen wollte.

Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 215.000 Euro sei insbesondere im Hinblick auf das gleichzeitig zugunsten des Veräußerers vereinbarte Nießbrauchrecht reell.

Im Ergebnis war der Nacherbenvermerk vom Grundbuchamt zu löschen.

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