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Auslegung eines Testaments – Was wollte der Erblasser?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Testamente sind manchmal unklar und enthalten Lücken
  • Nach dem Eintritt des Erbfalls muss ermittelt werden, was der Erblasser eigentlich wollte
  • Gerichte orientieren sich im Streitfall unter anderem am Wortlaut des Testaments

Testamente, die ohne fachkundige Hilfe von Privatleuten errichtet wurden, stiften nach Eintritt des Erbfalls immer wieder einmal Verwirrung.

Dies liegt maßgeblich daran, dass von den Erstellern des letzten Willens irrtümlich rechtliche Formulierungen verwendet werden, die mehr Fragen als Klarheit hinterlassen.

Lücken im Testament müssen geschlossen werden

Auch unbeabsichtigte Lücken in einem Testament kommen überdurchschnittlich häufig bei solchen letztwilligen Verfügungen vor, die ohne anwaltliche oder notarielle Hilfe erstellt wurden.

Schließlich sorgt manchmal auch alleine der Zeitablauf zwischen Erstellung des letzten Willens und Eintritt des Erbfalls dafür, dass die in dem Testament vom Erblasser gemachten Anordnungen auf die Umstände zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls nicht so recht passen wollen.

Liegen zwischen Testamentserstellung und Erbfall Jahre oder manchmal sogar Jahrzehnte, dann sind oft vom Erblasser gemachte Anordnungen überholt oder Personen, die im Testament bedacht wurden, sind bereits vorverstorben und leben gar nicht mehr.

Der letzte Wille des Erblassers soll gelten

Wird nach dem Eintritt des Erbfalls ein Testament aufgefunden, das ganz oder auch nur in Teilen unverständlich, nicht eindeutig oder unschlüssig ist, dann darf dieses Testament nicht einfach ignoriert werden.

Die Rechtsordnung gibt vielmehr vor, dass ein solches unklares Testament auszulegen ist, § 2084 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Der Begriff „Auslegung“ meint dabei im Wesentlichen die Ermittlung des tatsächlichen Willens des Erblassers.

Es soll auch bei einem unklaren oder lückenhaften Testament für die Regelung der Erbfolge dasjenige gelten, was der Erblasser gewollt hat.

Der Erblasser selber kann zu seinem Testament nicht mehr befragt werden

Es liegt auf der Hand, dass es im Rahmen der Auslegung eines Testaments immer zu Reibungsverlusten kommt. Der Erblasser selber kann, da bereits verschieden, nicht mehr befragt werden, wie er diese oder jene Anordnung in seinem Testament denn nun gemeint hat.

Bei Unklarheiten machen sich vielmehr in aller Regel familienfremde Juristen daran, das Testament auszulegen. Hierbei bedienen sich die Juristen einem festgelegten Katalog von Auslegungsmethoden.

Als Betroffener einer solchen Auslegung darf man in aller Regel davon ausgehen, dass das Ziel der Juristen tatsächlich immer die Ermittlung des Erblasserwillens ist.

Auch Juristen sind fehlbar

Ebenso klar ist aber auch, dass Juristen trotz sorgfältigstem Vorgehen bei der Auslegung eines Testaments hin und wieder den tatsächlichen Erblasserwillen verfehlen und dem Testament einen Aussagewert beimessen, den der Erblasser ihm nie gegeben hätte.

Auseinandersetzungen rund um die Auslegung eines Testaments eskalieren regelmäßig dann, wenn eine Partei, gestützt auf ein vorliegendes Testament, nach Eintritt des Erbfalls beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt.

Ist das Testament auslegungsbedürftig, dann muss bereits das Nachlassgericht versuchen, die Lücken im Testament zu schließen und den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln.

Fällt die vom Nachlassgericht vorgenommene Testamentsauslegung nicht wunschgemäß aus, kann man gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts immer noch Beschwerde einlegen und sein Glück immer noch bei der nächst höheren Instanz, dem Oberlandesgericht, versuchen.

Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass Beschwerdegerichte Testamente diametral anders bewerten als die Nachlassgerichte.

Mittel der Auslegung – Wie gehen die Gerichte vor?

Dass unterschiedliche Gerichte bei der Auslegung ein und desselben Testaments zu durchaus sehr verschiedenen Ergebnissen kommen, mag auf den ersten Blick verwundern.

Wenn man die Vorgehensweise der Berufsjuristen bei der Auslegung eines Testaments aber etwas näher betrachtet, dann wird klar, warum auch in diesem Bereich keine mathematisch genauen Ergebnisse erwartet werden können.

Ist ein Testament nämlich erst einmal als auslegungsbedürftig identifiziert, dann geht man bei der Auslegung grundsätzlich vom Wortlaut und dem Wortsinn der vom Erblasser verwendeten Formulierungen aus.

Jeglicher Anhaltspunkt, den der Erblasser bei der Abfassung seines letzten Willens mit den von ihm verwendeten Worten gegeben hat, kann und darf im Rahmen der Ermittlung dessen, was der Erblasser tatsächlich wollte, verwendet werden.

Wenn diese alleine am Wortlaut des unklaren Testaments zu einem belastbaren Ergebnis führt, so sind das Streitpotential und die Erfolgsaussichten in der Beschwerdeinstanz in der Praxis eher gering.

Auch Umstände außerhalb des Testaments können verwertet werden

Das ändert sich aber schlagartig dann, wenn der Wortlaut alleine keinen abschließenden Hinweis auf den Willen des Erblassers zulässt. In diesem Fall können nämlich auch Umstände, die außerhalb des Testaments liegen, zur Auslegung des Testaments herangezogen werden.

Soweit solche Umstände sich auch nur andeutungsweise im Testament wieder finden, können beispielsweise auch lebzeitige Äußerungen und Handlungen des Erblassers herangezogen werden, um den wirklichen Willen zu ermitteln.

Wenn in diesem Zusammenhang nächste Angehörige, Freunde und Bekannte des Erblassers als Zeugen vernommen oder schriftliche Äußerungen des Erblassers in die Gesamtbewertung mit aufgenommen werden, dann liegt es auf der Hand, dass der Streit spätestens an diesem Punkt von sehr individuellen Bewertungsfragen abhängt und Richter zum Beispiel die Glaubwürdigkeit einzelner Zeugenaussagen sehr unterschiedlich bewerten.

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