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Vermachen und Vererben – Wo ist der Unterschied?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Ein Erbe wird automatisch mit dem Erbfall Rechtsnachfolger des Erblassers
  • Ein Vermächtnisnehmer hat nur eine Forderung gegen den Erben
  • Im Zweifel muss der Wille des Erblassers ermittelt werden

Ein Testament kann von jeder Person ab dem 16. Lebensjahr errichtet werden. Der überwiegende Teil der Testamente wird von Erblassern als so genanntes privates Testament verfasst.

Für ein solches privates Testament benötigt man keine Hilfe eines Dritten, insbesondere keinen Notar. Es genügt ein Blatt Papier und ein Stift, um die eigene Erbfolge zu regeln. Ein privates Testament verursacht keine Kosten und ist ebenso wirksam wie ein notarielles Testament.

Ein Erblasser, der ein privates Testament erstellt, verfügt in aller Regel nicht über eine juristische Vorbildung.

Privat erstellte Testamente sind manchmal unklar formuliert

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in privat erstellten Testamenten häufig Formulierungen auftauchen, die mit den gesetzlichen Vorgaben zum Erbrecht nicht immer hundertprozentig in Deckung zu bringen sind.

Vor allem bei der zentralen Frage, wer Erbe des Erblassers werden soll, werden in privat erstellten Testamenten die Begriffe „Vererben“ und „Vermachen“ gleichbedeutend verwendet.

Während in dem einen Testament formuliert wird

„Ich vererbe meiner Tochter mein gesamtes Vermögen“

findet sich in einem anderen Testament die Formulierung

„Ich vermache meiner Tochter mein gesamtes Vermögen“.

 Mit beiden Formulierungen will der Erblasser aussagen, dass seine Tochter nach seinem Ableben sein Vermögen erhalten soll.

Rechtstechnisch hat der Erblasser aber mit den von ihm verwendeten Begriffen „Vermachen“ und „Vererben“ zwei vollkommen unterschiedliche Sachen angeordnet.

Erbschaft und Vermächtnis sind verschiedene Dinge

Mit der Verwendung des Begriffs „Vermachen“ signalisiert der Ersteller des Testaments nämlich, dass er zugunsten einer dritten Person ein Vermächtnis aussetzen will.

Durch ein Vermächtnis erhält der Begünstigte zwar auch einen Teil aus dem Nachlass, er wird aber gerade im Regelfall nicht Erbe. Die durch ein Vermächtnis begünstigte Person wird auch „Vermächtnisnehmer“ genannt.

Ein Erbe hat eine wesentlich stärkere Rechtsstellung als ein Vermächtnisnehmer. Der Erbe wird in der Sekunde des Ablebens des Erblassers dessen Rechtsnachfolger. In diesem Moment geht Eigentum und Besitz an sämtlichen Vermögenswerten auf den Erben über.

Anders beim Vermächtnisnehmer: Dieser erwirbt mit dem Eintritt des Erbfalls lediglich einen Anspruch, eine Forderung, die er (zumeist) gegen den Erben geltend machen und durchsetzen muss.

Der Vermächtnisnehmer erwirbt also nicht kraft Gesetz und automatisch den Vermögensgegenstand, der ihm vom Erblasser vermacht wurde.

Der Vermächtnisnehmer muss vielmehr nach Eintritt des Erbfalls tätig werden und der Erbe muss dem Vermächtnisnehmer den zugewandten Vermögensgegenstand aushändigen und zugänglich machen.

Im Zweifel muss das Testament ausgelegt werden

Verwendet der Erblasser in seinem Testament die Begriffe „Vererben“ und „Vermachen“ in einer Weise, die nicht auf den ersten Blick klärt, ob der Erblasser einen Erben einsetzen oder ein Vermächtnis zuwenden wollte, dann muss das Testament nach Eintritt des Erbfalls im Zweifel ausgelegt werden.

Mit Hilfe einer Auslegung des Testaments ist zu klären, was der Erblasser eigentlich wollte, wer sein Erbe und wer „nur“ Vermächtnisnehmer wird.

Dabei ist im Rahmen einer Testamentsauslegung sowohl der Wortlaut des hinterlassenen Testaments als auch der Gesamtzusammenhang, in dem sich die Formulierungen befinden, zu würdigen.

Ein Erbe kann auch nur Vermächtnisnehmer sein

Eine Auslegung des Testaments kann dabei ergeben, dass eine im Testament als „Erbe“ bezeichnete Person tatsächlich „nur“ Vermächtnisnehmer ist. Andersherum kann Ergebnis der Testamentsauslegung aber auch sein, dass ein Vermächtnisnehmer die Rechtsstellung eines Erben hat.

Bei Verwendung der Begriffe „Vermachen“ und „Vererben“ ist das mit entscheidende Kriterium immer, ob der Erblasser sein komplettes Vermögen übergeben will, oder nur einen Bruchteil.

Überträgt der Erblasser sein komplettes Vermögen, dann wird man auch dann von einer Erbeinsetzung ausgehen müssen, wenn der Erblasser sein Vermögen in seinem Testament nur „vermacht“.

Wendet der Erblasser einem Dritten in seinem Testament hingegen nicht sein Vermögen, sondern lediglich einzelne Gegenstände zu, dann ist der Bedachte im Zweifel nicht einmal dann Erbe, selbst wenn er im Testament vom Erblasser als ein solcher bezeichnet wurde, § 2087 Abs. 2 BGB.

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