Nicht auffindbares Testament regelt die Erbfolge – Lebensgefährtin wird Alleinerbin

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Schleswig-Holstein – Beschluss vom 12.09.2011 - 3 Wx 44/10

  • Erblasser zeigt einem Notar den Entwurf eines Testaments
  • Nach dem Erbfall kann das Testament nicht aufgefunden werden
  • Erbfolge richtet sich trotzdem nach dem verschwundenen Testament

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hatte über die Rechtswirkungen zu urteilen, die von einem nicht auffindbaren Testament ausgehen.

In der Angelegenheit hatte ein verwitweter Erblasser zwei Söhne hinterlassen. Der Erblasser lebte mit einer Lebensgefährtin zusammen, mit der er sich den Angaben der Lebensgefährtin zufolge verlobt hatte und die er in Bälde zu heiraten beabsichtigte.

Der Erblasser hatte sich vor seinem Tod offenbar Gedanken über die Regelung seiner Erbfolge gemacht und zu diesem Zweck offenbar auch ein handschriftliches Testament verfasst, in dem er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetzte.

Erblasser zeigt sein Testament einem Notar

Dieses Testament zeigte der Erblasser vor seinem Tod einem Notar und trug dem Notar an, dass er dieses Testament für ihn verwahren solle. Der Notar klärte den Erblasser im Rahmen dieses Gespräches aber darüber auf, dass Notare keine Verwahrstelle für privatschriftliche Testamente seien.

In der Folge nahm der Erblasser das Testament wieder an sich.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Lebensgefährtin bei dem Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin auf Grundlage der letztwilligen Verfügung des Erblassers ausweisen solle.

Pikant war dieser Antrag deswegen, weil die Lebensgefährtin das Testament, das ihr Erbrecht belegen sollte, dem Nachlassgericht nicht vorlegen konnte. Trotz – mutmaßlich umfangreicher Suche – blieb das Testament nämlich unauffindbar.

Söhne des Erblassers setzen auf die gesetzliche Erbfolge

Die beiden Söhne als potentielle gesetzliche Erben des Erblassers wollten ihre Aussichten auf die Erbschaft nicht kampflos aufgeben. Nur wenige Tage nach dem Erbscheinsantrag der Lebensgefährtin stellten sie ihrerseits einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der wiederum die Brüder als gesetzliche Erben ausweisen sollte.

Sie beantragten weiter, den Erbscheinsantrag der Lebensgefährtin zurückzuweisen. Ihrer Auffassung nach war ihr Vater mit seiner Lebensgefährtin niemals verlobt gewesen und man müsse außerdem, so die Söhne des Erblassers, davon ausgehen, dass ein möglicherweise von ihrem Vater ehemals errichtetes Testament offenbar von ihm wieder vernichtet worden sei, anderenfalls es ja auffindbar sein müsste.

Das Nachlassgericht hörte in der Sache diverse Zeugen und lud auch den Notar zu einer Vernehmung. Letzterer berief sich allerdings gegenüber dem Nachlassgericht auf seine Verschwiegenheitspflicht und konnte entsprechend zur Sache nicht vernommen werden.

Das Nachlassgericht wies dann den Erbscheinsantrag der Lebensgefährtin zurück, da es alleine auf Grundlage der Zeugenaussagen nicht von der Existenz des Testaments überzeugt war.

Lebensgefährtin legt Beschwerde zum OLG ein

Gegen diesen Beschluss des Nachlassgerichts legte die Lebensgefährtin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Und tatsächlich kippte das OLG die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies das Nachlassgericht an, der Lebensgefährtin den beantragten Erbschein zu erteilen.

Ausschlaggebend für die Entscheidung des Beschwerdegerichts war eine Norm aus der Bundesnotarordnung. Gemäß § 18 Abs. 2 BNotO können Notare nämlich auch gegenüber bereits verstorbenen Beteiligten durch entsprechende Erklärung der Aufsichtsstelle von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit werden.

Notar kann als Zeuge vernommen werden

Eine solche Befreiung wurde vom Oberlandesgericht über die insoweit zuständigen Präsidentin des Landgerichts Kiel bewirkt, sodass der Notar vor dem OLG auch zur Sache aussagen konnte.

Der Notar sagte dann vor dem OLG aus, dass der Erblasser ihm gegenüber kurz vor seinem Tod ausdrücklich geäußert habe, dass die Lebensgefährtin seine Alleinerbin werden, während zumindest einer seiner Söhne gar nichts erhalten solle.

Diesen Inhalt habe nach der Erinnerung des Notars auch das ihm vom Erblasser vorgelegte Testament gehabt. Das Testament sei nach Einschätzung des Notars auch keinesfalls als unverbindlicher Entwurf zu verstehen gewesen.

Nichte des Erblassers bestätigt Aussage des Notars

Die Aussagen des Notars wurden zugunsten der Lebensgefährtin weiter von einer Nichte des Erblassers gestützt, die sowohl die Tatsache der Verlobung als auch die Absicht des Erblassers, seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einzusetzen, bestätigen konnte.

Nachdem auch die Vernichtung oder der Widerruf des Testaments von den Söhnen nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen werden konnte, urteilte das OLG auch ohne das Vorliegen eines Testaments zu Gunsten der Lebensgefährtin als Alleinerbin.

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