Was gilt, wenn der Erblasser bei der Einsetzung seiner Erben im Testament keine Erbquoten festlegt?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Testamente ohne Erbquoten für die Erben sind streitträchtig
  • Im Zweifel muss der Wille des Erblassers von den Gerichten ermittelt werden
  • Das Gesetz bietet durch Auslegungsregeln Hilfestellung

Gerade bei privat erstellten Testamenten kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass der Erblasser in seinem Testament zwar mehrere Personen als Erben benennt, aber in seinem letzten Willen nicht bestimmt, in welchem Umfang und mit welcher Quote die diversen Erben am Nachlass beteiligt sein sollen.

Wenn der Erblasser beispielsweise in seinem Testament lapidar bestimmt, dass „seine Erben seine Ehefrau Beate, seine Kinder Max und Moritz, sein Bruder Franz und sein bester Freund Oskar“ sein sollen, ohne genauer zu spezifizieren, mit welcher Quote die einzelnen Erben denn am Nachlass beteiligt sein sollen, dann darf man getrost davon ausgehen, dass nach Eintritt des Erbfalls unter den Erben Streit über die Frage der individuellen Beteiligung der Erben am Nachlass entstehen wird.

Im Beispielsfall wird es insbesondere der Ehefrau und den Kindern nicht unmittelbar einleuchten, dass sie von der Erbschaft nur genau den gleichen Anteil erhalten sollen, wie der beste Freund des Erblassers.

Das Testament ist auszulegen

Wird man mit einem solchen Testament, das zumindest Spielraum für Interpretationen lässt konfrontiert, muss das Testament zunächst ausgelegt werden. Auslegung bedeutet nichts anderes, als den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln.

Hierzu kann und muss natürlich der Wortlaut des Testaments ebenso näher untersucht werden, wie der Zusammenhang, in dem sich die Anordnungen des Erblassers befinden.

Auch Umstände außerhalb des Testaments können in die Betrachtung mit einfließen, wenn sie im Testament auch nur ansatzweise Anklang gefunden haben.

Ergänzende Testamentsauslegung schließt Lücken

Gegebenenfalls kann ein Testament auch ergänzend ausgelegt werden, wenn das Testament eine Regelungslücke enthält, die vom Erblasser offensichtlich nicht beabsichtigt war.

Danach kann eine Auslegung eines Testaments, mit dem Erben eingesetzt wurden, ohne konkrete Erbquoten festzulegen, zu dem Ergebnis kommen, dass es tatsächlich dem Willen des Erblassers entsprach, alle benannten Erben zu gleichen Teilen an der Erbschaft zu beteiligen.

Liegen belastbare Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Willen des Erblassers vor, kann das Testament aber auch dahingehend auszulegen sein, dass einige der Erben einen größeren Anteil am Nachlass erhalten sollen als die anderen Erben.

Gesetzliche Auslegungsregeln helfen im Zweifel weiter

Scheitert aber eine individuelle Auslegung des Testaments und ist es schlechterdings nicht möglich, den konkreten Erblasserwillen zu ermitteln, dann können gegebenenfalls die Auslegungsregeln §§ 2066 bis 2069 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu einem brauchbaren Ergebnis führen.

Danach gelten zum Beispiel vom Erblasser in seinem Testament als „gesetzliche Erben“ oder „Verwandte“ eingesetzte Erben im Zweifel als in dem Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile bedacht.

Hat sich der Erblasser also darauf beschränkt, seinen Nachlass in seinem Testament an seine „gesetzliche Erben“ oder an seine„Verwandten“ zu vermachen, dann können die §§ 2066 und 2067 BGB dazu führen, dass die Erben nicht zwingend zu gleichen Teilen an der Erbschaft zu beteiligen sind.

Auslegungsregel für unbestimmte Bruchteile im Testament

Wenn nach einer individuellen Auslegung auch die §§ 2066 bis 2069 BGB als gesetzliche Auslegungsregeln versagen, dann kann schließlich noch auf die Auslegungsregel des § 2091 BGB zurückgegriffen werden.

Danach gilt, dass mehrere Erben zu gleichen Teilen eingesetzt sind, wenn das Testament keine Angaben über die einzelnen Erbteile enthält.

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