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Enterbung muss in Testament ausdrücklich angeordnet werden

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 19.12.2012 – 31 Wx 434/12

  • Sohn beantragt einen Erbschein als gesetzlicher Erbe
  • Tochter legt ein Testament der Eltern vor
  • Das Testament enthält nicht die von der Tochter gewünschte Rechtsfolge

Das Oberlandesgericht München hatte in einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins ein etwas eigenwilliges Testament zu beurteilen.

Protagonisten des Rechtsstreits vor dem OLG waren die Tochter, die Ehefrau und der nichteheliche Sohn eines im Mai 2011 verstorbenen Erblassers.

Nach dem Tod des Vaters hatte der nichteheliche Sohn beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach er und seine Stiefschwester zu je ¼ und die Ehefrau zu ½ Erben des verstorbenen Vaters geworden waren.

Gilt die gesetzliche Erbfolge?

Der Sohn des Erblassers ging demnach ersichtlich von der Geltung der gesetzlichen Erbfolge aus.

Anderer Auffassung war allerdings die Tochter des Erblassers. Diese legte dem Nachlassgericht nämlich ein vom Erblasser und seiner Ehefrau im Jahr 1973 handschriftlich erstelltes Dokument vor, aus dem sich ihre, der Tochter, Alleinerbenstellung ergeben sollte.

Der Inhalt des Dokuments lautete wie folgt:

„Vollmacht!
Sollte bei einem Unfall meiner Frau und mir mit Todesfolge ausgehen, so kann meine Tochter A.W. frei über unseren Hausrat wie Bargeld – Ciro Kondo – SparKassenbuch Bundesschatzbrief und unser Auto Tord 15M verfügen.
Augsburg, d. 4. Sep. 73
(Unterschriften)“

Die Tochter vertrat die Auffassung, dass das Schriftstück zum einen ein Testament darstellen würde und zum anderen ihre Alleinerbeneinsetzung sowie die gleichzeitige Enterbung des nichtehelichen Sohnes wiedergeben würde.

Tochter sieht sich als Erbin kraft Testament

Richtigerweise müsse das Nachlassgericht, so die Tochter, einen Erbschein, der sie, die Tochter, als Alleinerbin kraft gewillkürter Erbfolge ausweise, erlassen.

Das Nachlassgericht hörte die Tochter und die Ehefrau als Zeugen an und wies nachfolgend den Antrag des nichtehelichen Sohnes auf Erteilung des Erbscheins nach der gesetzlichen Erbfolge zurück.

Das Nachlassgericht sah in dem von der Tochter vorgelegten Schriftstück aus dem Jahr 1973 nach eigenem Bekunden ein Testament, das jedenfalls eine Enterbung des nichtehelichen Sohnes beinhalte.

Sohn legt Beschwerde zum OLG ein

Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts legte der Sohn des Erblassers das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Und tatsächlich wertete das Beschwerdegericht die Rechtslage abweichend zum Nachlassgericht und hob die Entscheidung der ersten Instanz auf.

In seiner Entscheidung ging das OLG mit dem Nachlassgericht noch insoweit konform, als sich die Erbfolge in dem zu entscheidenden Fall nach dem Gesetz richte.

Zwar stelle das als „Vollmacht“ überschriebene Dokument aus dem Jahr 1973 sehr wohl eine letztwillige Verfügung in Form eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments dar, mit dem jedoch von den Eheleuten ausschließlich der Fall geregelt worden sei, dass sie zeitgleich oder jedenfalls sehr zeitnah versterben.

Eltern regeln nicht den Tod nur eines Ehepartners

Für den Tod nur eines der beiden Ehegatten enthalte, so das OLG, das Schriftstück keine Regelung.

Wenn jedoch das Testament für den jetzt tatsächlich eingetretenen Fall des Versterbens nur eines der Eheleute keine Regelung enthalte, dann enthält es denklogisch auch keine Regelung dahingehend, dass für diesen Fall eine Enterbung des nichtehelichen Sohnes des Erblassers angeordnet wird.

Auch der Gesichtspunkt der zum 29.05.2009 eingetretenen gesetzlichen Änderung des Erbrechts nichtehelicher Kinder, die mit der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder erst ein gesetzliches Erbrecht des beteiligten Sohnes geschaffen hatte, änderte nichts an der Auffassung des OLG.

Eltern wollten Sohn nicht enterben

Die von der Tochter favorisierte Enterbung des nichtehelichen Sohnes habe sich mit keinem Wort für den Fall des isolierten Ablebens nur des Vaters in dem Testament wieder gefunden.

Soweit ein diesbezüglicher Wille aber nicht einmal andeutungsweise dem Testament entnommen werden könne, verbleibe es dabei, dass der nichteheliche Sohn als gesetzlicher Erbe berufen sei.

Die Erteilung des vom Sohn beantragten Erbscheins wurde daher vom Oberlandesgericht angeordnet.

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