Für Demenz der Erblasserin müssen Fakten vorgetragen werden - Testament wirksam

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.11.2013, I-3 Wx 98/13

  • Geschwistern der Erblasserin gefällt das Testament nicht
  • Geschwister behaupten, die Erblasserin sei dement gewesen
  • Gericht findet für den Vortrag der Geschwister deutliche Worte

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte im Rahmen eines Erbscheinverfahrens darüber zu befinden, ob ein von einer hochbetagten Erblasserin erstelltes Testament wirksam ist.

Die Erblasserin war am 09.09.2012 verstorben. Sie hinterließ keine Kinder und hatte mit ihrem im November 2011 bereits vorverstorbenen Ehemann am 04.05.2011 bei einem Notar ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet.

Die Eheleute bestimmten in dem Testament, dass dem Überlebenden ein lebenslanger unentgeltlicher Nießbrauch an dem gesamten Nachlass zustehen soll. Weiter vererbten sich die Eheleute wechselseitig einen Betrag in Höhe von 450.000 Euro.

Stiftung beantragt einen Erbschein

Zur Alleinerbin für ihren Nachlass setzten die Eheleute in dem Testament eine Stiftung ein.

Nach dem Ableben der Erblasserin beantragte die Stiftung beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie aufgrund des Testaments aus dem Mai 2011 als alleinige Erbin ausweisen sollte.

Dieser Erbscheinsantrag gefiel allerdings zwei Geschwistern der Erblasserin nicht. Sie legten beim Nachlassgericht gegen die von der Stiftung beantragten Erbschein Widerspruch ein und trugen zur Begründung vor, dass das Testament, auf das die Stiftung ihren Antrag gründete, unwirksam sei.

Geschwister der Erblasserin behaupten, die Erblasserin sei dement gewesen

Die Erblasserin, so die beiden Geschwister, sei während der letzten 20 Jahren in die Demenz abgedriftet, sie habe sich seit zwei Jahren als Pflegefall in einem Altenheim befunden und eine Kommunikation sei mit der Erblasserin vor ihrem Tod gar nicht mehr möglich gewesen.

Daraus schlossen die Geschwister, dass die Erblasserin im maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Mai 2011 gar nicht testierfähig gewesen sei.

Das Testament der Erblasserin sei, so die Geschwister mithin unwirksam und die Erbfolge richte sich demnach nicht nach dem Testament, sondern nach dem Gesetz.

Auf diesen Vortrag hin nahm das Nachlassgericht Kontakt zu dem das Testament beurkundenden Notar auf. Dieser ließ wissen, dass die Erblasserin am Tag der Beurkundung im Mai 2011 zwar "altersbedingt beeinträchtigt gewesen" sei, ihn, den Notar, aber sofort erkannt habe.

Wille der Erblasserin war, ihr Vermögen der Stiftung zukommen zu lassen

Ebenfalls sei die Erblasserin am Tag der Testamentserrichtung über die Gründung der Stiftung voll informiert gewesen und es sei auch der Wille der Erblasserin gewesen, dass das komplette Familienvermögen mangels eigener Kinder an die Stiftung geht.

Das Nachlassgericht forderte die beiden Geschwister ergänzend auf, ihre Bedenken hinsichtlich der Testierfähigkeit der Erblasserin zu konkretisieren und entsprechende ärztliche Stellungnahmen vorzulegen.

Nachdem hier von den beiden Geschwistern keine neuen Fakten vorgetragen wurden, teilte das Nachlassgericht mit, dass es die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Stiftung für gegeben erachte.

Geschwister legen Beschwerde zum OLG ein

Hiergegen legten die beiden Geschwister Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Dort wurde die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückgewiesen.

In der Begründung der Beschwerdeentscheidung wies das OLG darauf hin, dass ein Testament nur dann an der mangelnden Testierfähigkeit des Erblassers scheitert, wenn der Erblasser nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen.

Soweit das Testament aber in diesem Sinne von einer Erkrankung des Erblassers nicht beeinflusst sei, stehe auch eine vorliegende geistige Erkrankung der Wirksamkeit eines Testaments nicht entgegen.

Wann sind Zweifel an der Testierfähigkeit gerechtfertigt?

Nur wenn krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens des Erblassers überwiegen, seien Zweifel an der Testierfähigkeit gerechtfertigt.

Die Frage der Testierfähigkeit sei, so das Beschwerdegericht, in drei Schritten zu prüfen: Zunächst seien die vorgetragenen und angeblich auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, in einem zweiten Schritt habe sich das Gericht auf dieser Grundlage Klarheit über den medizinischen Befund zu verschaffen um in einem dritten und letzten Schritt hieraus die rechtlichen Schlüsse zu ziehen.

Bei bestehenden Zweifeln an der Testierfähigkeit seien vom Gericht in aller Regel Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen einzuholen.

Keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin

Im zu entscheidenden Fall verneinten die Richter eine Testierunfähigkeit der Erblasserin aber schon aus dem Grund, da es "an jeglichen Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen der Erblasserin zur Zeit der Testamentserrichtung" fehle.

Die Beschwerdeführer hätten lediglich nicht belegte Vermutungen angestellt und eigene Bewertungen über den Geisteszustand der Erblasserin abgegeben. Belastbare Fakten für diese Vermutungen seien aber ebenso wenig vorgetragen wie sonst wie erkennbar.

Vielmehr lasse die Stellungnahme des Notars eher darauf schließen, dass die Erblasserin im maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig gewesen sei.

Im Ergebnis wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Die Stiftung wurde, wie von der Erblasserin bestimmt, Alleinerbin. Die Geschwister gingen leer aus.

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