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Erbeinsetzung „gemäß Berliner Testament“ ist unwirksam

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Beschluss vom 22.07.2014 – 15 W 98/14

  • Ehemann verfasst ein unklares Testament
  • Nach dem Erbfall streiten die Kinder und die Witwe
  • Gericht kann den Inhalt des Testaments nicht mit letzter Sicherheit aufklären

Mit einer eher kryptischen Anordnung in einem Testament hatte das Oberlandesgericht Hamm in einem Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins zu kämpfen.

In der Angelegenheit war der Erblasser im Jahr 2013 verstorben und hinterließ neben zwei Kindern seine Ehefrau.

Erbfolgeregelung gemäß Berliner Testament

Mit Datum vom 28.08.2012 hatte der Erblasser ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet. In diesem Testament hatte der Erblasser für die Regelung seiner Erbfolge folgende Anweisungen erteilt:

„Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem "Berliner Testament" erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel."

Eine darüber hinausgehende und detailliertere Angabe, wer denn nun nach dem Eintritt des Erbfalls Erbe des Erblassers werden sollte, enthielt das Testament aber nicht.

Ehefrau beantragt nach dem Eintritt des Erbfalls einen Erbschein

Die Ehefrau interpretierte dieses Testament ganz in ihrem Sinne und beantragte beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der sie als alleinige Erbin ausweisen möge.

Gegen diesen Antrag opponierten allerdings die Kinder.

Diese konnten dem von der Ehefrau vorgelegten Testament gar keine sinnvolle Erbfolgeregelung entnehmen und beantragten beim Nachlassgericht ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins, der die Kinder zu je ¼ und die Ehefrau als Erbin zu ½ ausweisen sollte.

Die Kinder setzen auf die gesetzliche Erbfolge

Nach der Bewertung der Kinder sei der Erbfall nach den Regelungen der gesetzlichen Erbfolge abzuwickeln, da das Testament aus sich heraus nicht verständlich sei.

Das Nachlassgericht schloss sich dieser Bewertung der beiden Kinder an und wies den Erbscheinsantrag der Ehefrau zurück. Hiergegen legte die Ehefrau Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Doch auch das Oberlandesgericht konnte dem Testament des Erblassers keinen vernünftigen Inhalt und insbesondere nicht die Anordnung entnehmen, dass der Erblasser seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt habe. Die Beschwerde der Ehefrau wurde dementsprechend zurückgewiesen.

Ein unklares Testament muss ausgelegt werden

In der Begründung seiner Entscheidung wies das Beschwerdegericht darauf hin, dass ein unklares Testament, wie das vorliegende, grundsätzlich auszulegen sei. Mit Hilfe der Auslegung sei der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln.

Dabei seien von den Gerichten für die Auslegung bei Bedarf auch Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzuziehen.

Kann sich das Gericht aber nicht davon überzeugen, was der Erblasser mit seinen Anordnungen tatsächlich gewollt habe, so muss er von dem Testamentinhalt ausgehen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht.

Diese auf BGH-Rechtsprechung beruhenden Grundsätze zur Auslegung eines Testaments vorausgeschickt, musste das OLG aber trotzdem einräumen, dass sich nicht rechtssicher feststellen ließ, was der Erblasser mit seinen Worten in dem Testament sagen wollte.

Auch nach Auslegung des Testaments bleiben Restzweifel

Weder dem vom Erblasser verwendeten Begriff „Berliner Testament“ noch dem Begriff „Wiederverheiratungsklausel“ könne man entnehmen, was der Erblasser unter diesen beiden Begrifflichkeiten tatsächlich verstanden hat.

Irritierend war für das Gericht bereits, dass dem Erblasser offenbar unbekannt war, dass ein „Berliner Testament“ ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten und gerade kein – vom Erblasser errichtetes – Einzeltestament ist.

Dem Testament könne, so das Gericht, auch nicht ansatzweise entnommen werden, wer den Erblasser beerben solle. Ebenso sei vollkommen unklar, was für den Fall der Wiederverheiratung gelten solle.

Auch eine Zeugenaussage hilft nicht weiter

Die Entscheidung konnte auch nicht deswegen zugunsten der Ehefrau beeinflusst werden, da diese eine Zeugin aufbieten konnte, nach deren Bekunden der Erblasser geäußert habe, es sei „alles im Sinn seiner Ehefrau und künftigen Witwe geregelt“.

Auch aus dieser eher vagen Aussage, ihre Richtigkeit unterstellt, konnten und wollten die Richter nicht den Schluss ziehen, dass die Anordnung in dem Testament im Sinne einer Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau zu verstehen sei.

Im Ergebnis blieb es bei der Zurückweisung des Erbscheinantrages der Ehefrau. Die beiden Kinder waren nach den Grundsätzen der gesetzlichen Erbfolge am Nachlass zu beteiligen.

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