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Wann entsteht die Erbschaftsteuer?

Von: Dr. Georg Weißenfels

Gemäß § 9 ErbStG (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz) entsteht die Erbschaftsteuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ist die Steuerschuld des einzelnen Erwerbers also im Sinne des Gesetzes „entstanden“. Man muss allerdings das Entstehen der Erbschaftsteuer streng von dem Moment unterscheiden, zu dem die Erbschaftsteuer „fällig“ wird, der Fiskus sie also fordern kann und man als Betroffener zur Zahlung verpflichtet ist. Fällig wird die Erbschaftsteuer nämlich frühestens zu dem Termin, der in dem Steuerbescheid als Zahlungsziel genannt wird. Ohne Steuerbescheid ist man zur Zahlung einer – auch bereits entstandenen – Erbschaftsteuer nicht verpflichtet.

Wichtig ist das „Entstehen“ der Erbschaftsteuer und damit der Todestag allerdings für zahlreiche Umstände, die die Höhe der Erbschaftssteuer beeinflussen. So kommt es beispielsweise für die Frage, ob man überhaupt der Steuerpflicht in Deutschland unterliegt, auf den Todestag an, § 2 ErbStG. Ebenso richtet sich die Wertermittlung für die Besteuerung gemäß § 11 ErbStG grundsätzlich nach dem Tag des Entstehens der Steuerpflicht, mithin nach dem Todestag. Die Frage, in welche der drei Steuerklassen des § 15 ErbStG der Erwerber fällt, wird am Tag des Entstehens der Steuerpflicht entschieden. Und auch für die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG sind die Verhältnisse maßgebend, die am Todestag gelten.

Für das Entstehen der Erbschaftsteuer ist es nicht entscheidend, ob man als betroffener Erbe zeitnah oder überhaupt von dem Erbfall Kenntnis erlangt. Die Steuer entsteht unabhängig davon schlicht mit dem Tod des Erblassers.

Für den Erben ist das vom Gesetz vorgegebene und von der Finanzverwaltung umgesetzte Stichtagsprinzip hinsichtlich des Entstehens der Steuer im Einzelfall nicht ganz unproblematisch. Er wird nämlich unter Umständen damit konfrontiert, dass sich beispielsweise die Wertermittlung für einzelne im Nachlass befindliche Gegenstände (z.B. Aktien, Unternehmensanteile) immer auf den Zeitpunkt des Entstehens der Steuer bezieht, er de facto aber erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt überhaupt Zugriff auf die Gegenstände erhält und erst dann über sie verfügen kann. Auseinandersetzungen um die Erteilung eines Erbscheins oder eine Ausschlagung der Erbschaft durch einen zunächst bedachten Erben können zum Beispiel zu einer monate- oder manchmal jahrelangen Verzögerung zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuer und der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben führen.

Diese zeitliche Diskrepanz kann für den Erben dann unangenehm werden, wenn das zum Zeitpunkt des Todesfalls noch stolze Aktiendepot kurze Zeit später unter akutem Wertverlust gelitten hat oder die Unternehmensbeteiligung zum Todestages noch weit mehr Wert war als zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe dann endlich Zugriff auf den Nachlass hat.

In all diesen Fällen bleibt dem Erben nichts anderes übrig, als die hohe und auf den Todestag bezogene Erbschaftsteuer mit § 163 AO (Abgabenordnung) zu bekämpfen. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Alleine die Verwendung des Wortes „können“ (nicht „müssen“) und der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unbilligkeit“ lassen erahnen, dass man mit einem entsprechenden Antrag vom Finanzamt nicht zwingend mit offenen Armen empfangen wird.

Schützenhilfe kann man sich in vorgenannten Fällen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 besorgen (BVerfG-Beschluß vom 22.6.1995 (2 BvR 552/91) BStBl. 1995 II S. 671). In dem dort entschiedenen Fall hatte das höchste deutsche Gericht zwar keine Veranlassung, zu den konkreten Voraussetzungen einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO Stellung zu nehmen. Unter anderem der Leitsatz der Entscheidung kann jedoch auch in Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung um den § 163 AO gegenüber dem Finanzamt nutzbar gemacht werden:

„Der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen findet seine Grenze dort, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt.“

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