Steuersparmodell für den Schlusserben beim Berliner Testament – Pflichtteil geltend machen!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Schlusserbe kann nach dem Tod des zweiten Elternteils seinen Pflichtteil aus dem ersten Erbfall einfordern
  • Pflichtteil mindert als Nachlassverbindlichkeit die Erbschaftsteuer
  • Revision beim Bundesfinanzhof anhängig

Viele Ehepaare haben in der Vergangenheit ihre Erbfolge durch ein so genanntes Berliner Testament geregelt.

Ein Berliner Testament sieht üblicherweise vor, dass sich die Eheleute zunächst gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Stirbt also der erste Ehepartner, dann erbt der überlebende Partner dessen Vermögen.

Weiter sieht ein Berliner Testament im Allgemeinen vor, dass die Kinder der Familie so genannte Schlusserben sein sollen und das Familienvermögen nach dem Ableben des länger lebenden Ehepartners erhalten sollen.

Eine solche Erbfolgeregelung beinhaltet gleichzeitig eine Enterbung der Kinder im ersten Erbfall. Sinn und Zweck eines Berliner Testaments ist es ja gerade, dass der überlebende Ehepartner wirtschaftlich abgesichert ist und die gemeinsamen Kinder erst dann in den Genuss des Familienvermögens kommen sollen, wenn beide Elternteile verstorben sind.

Kinder werden durch Berliner Testament von der Erbfolge ausgeschlossen

Die mit dem Berliner Testament angeordnete Enterbung im ersten Erbfall nehmen die betroffenen Kinder oft widerspruchslos hin. Insbesondere wird in vielen (nicht allen) Fällen von Seiten der Kinder darauf verzichtet, im ersten Erbfall vom überlebenden Ehepartner den Pflichtteil einzufordern.

Aus erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten ist es nachteilig, wenn die Kinder im ersten Erbfall weder Erbteil noch vielleicht ein Vermächtnis oder eben den Pflichtteil erhalten. Der den Kindern nach dem Tod des zunächst versterbenden Elternteils zustehende Erbschaftsteuerfreibetrag in Höhe von 400.000 Euro bleibt nämlich so in vielen Fällen komplett ungenutzt.

Diesen steuerrechtlichen Nachteil des Berliner Testaments können die Kinder aber gegebenenfalls durch geschicktes Handeln nach dem Tod des zweiten Elternteils wieder ausgleichen.

Pflichtteil geltend machen und Steuern sparen

Im Prinzip steckt hinter diesem Steuersparmodell folgender Gedanke:

Im zweiten Erbfall erbt das Kind das komplette Familienvermögen. Diesen Vermögenszuwachs hat das Kind als Erbe zu versteuern. Dem Kind steht dabei ein Steuerfreibetrag in Höhe von 400.000 Euro zu. Liegt der Wert des geerbten Vermögens über diesem Betrag, sucht das Kind naturgemäß nach Möglichkeiten, seine Steuerschuld zu minimieren.

Ein Ansatz zum Steuersparen bietet in diesen Fällen § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz). Danach können vom Erben vom zu versteuernden Erwerb die so genannten Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden.

Solche Nachlassverbindlichkeiten sind beispielsweise Schulden, die der Erblasser dem Erben hinterlassen hat.

Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit

Zu solchen Nachlassverbindlichkeiten kann aber auch der Pflichtteil gehören, den das Kind im ersten Erbfall nicht geltend gemacht hat.

Dem Schlusserben steht es mithin frei, gegenüber dem Finanzamt zu erklären, dass er seinen Anspruch auf den Pflichtteil aus dem ersten Erbfall geltend macht. Dieser Pflichtteil ist dann zu berechnen und muss im zweiten Erbfall als Nachlassverbindlichkeit vom Finanzamt anerkannt werden.

Dabei ist es in Bezug auf die Erbschaftsteuer wohl unbeachtlich, dass der Pflichtteilsanspruch in zivilrechtlicher Hinsicht durch so genannte Konfusion erloschen ist. Das Kind ist als Schlusserbe nach dem zweiten Erbfall schließlich in Personalunion sowohl Gläubiger als auch Schuldner des Pflichtteils.

Durch die (fiktive) Geltendmachung des Pflichtteils wird aber die Erbschaftsteuerschuld im Schlusserbfall gemindert.

Finanzämter haben Probleme mit dem Steuersparmodell

Finanzämter sind von einer solchen Argumentation naturgemäß wenig erfreut, haben aber vor den Finanzgerichten bereits erste Niederlagen erlitten (so z.B. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.05.2016, 3 K 148/15).

Eine endgültige Entscheidung über das Modell wird wohl der Bundesfinanzhof (BFH) fällen, bei dem zu dieser Frage ein Revisionsverfahren anhängig ist (BFH – II R 17/16).

Wenn man aber den in aktueller Kommentarliteratur wiedergegebenen Meinungsstand von amtierenden BFH-Richtern zugrunde legt, hat die vom Finanzamt eingelegte Revision wohl wenig Aussichten auf Erfolg.

Geklärt wird vom BFH in dem anhängigen Revisionsverfahren dann auch die Frage, ob der Schlusserbe auch einen längst verjährten Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer im Schlusserbfall ins Spiel bringen kann.

Wird dies vom BFH positiv verbeschieden, dann droht der Finanzverwaltung möglicherweise Ungemach. In diesem Fall könnten nämlich auch schon längst abgeschlossene Erbschaftsteuerfälle nach § 175 AO (Abgabenordnung) wieder geöffnet werden. Schlusserben, die auch noch nach Jahren ihren (fiktiven) Pflichtteil fordern, hätten dann möglicherweise einen Anspruch auf Änderung eines bereits erlassenen Erbschaftsteuerbescheides und Reduzierung der Erbschaftsteuer.

Update: Das Urteil des Finanzgerichts wurde inzwischen vom BFH aufgehoben (Urteil vom 05.02.2020, II R 17/16).

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