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Muss der Insolvenzschuldner für Restschuldbefreiung seinen Pflichtteil geltend machen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Insolvenzschuldner muss sein Vermögen einsetzen, um seine Schulden abzutragen
  • Es ist streitig, ob der Insolvenzschuldner einen ihm zustehenden Pflichtteil realisieren muss
  • Die besseren Argumente sprechen für eine Pflicht des Insolvenzschuldners, seinen Pflichtteil einzufordern

Hat sich ein Privatmann finanziell übernommen, dann kann er nach den für das Insolvenzrecht geltenden Vorschriften unter bestimmten Umständen eine so genannte Restschuldbefreiung für sich in Anspruch nehmen.

Ziel eines solchen Verfahrens auf Restschuldbefreiung ist es, dem Schuldner die Perspektive zu eröffnen, nach Ablauf eines gewissen Zeitraums wieder komplett schuldenfrei zu werden.

Voraussetzung für eine Restschuldbefreiung ist unter anderem die Abtretung des pfändbaren Einkommens an einen so genannten Treuhänder für einen Zeitraum von sechs Jahren und die Erfüllung zahlreicher Obliegenheiten in dem gleichen Zeitraum.

Geerbtes Vermögen muss zur Hälfte an den Treuhänder herausgegeben werden

Eine dieser Obliegenheiten des Insolvenzschuldners besteht nach § 295 InsO (Insolvenzordnung) darin, dass von ihm während der sechs Jahre geerbtes Vermögen zur Hälfte an den Treuhänder herausgegeben wird, damit auch mit diesem Vermögen die nach wie vor bestehenden Schulden – zumindest teilweise – getilgt werden können.

Unstreitig ist, dass vom Insolvenzschuldner eine in der fraglichen Zeit gemachte Erbschaft zur Hälfte an den Treuhänder herausgegeben werden muss.

Gestritten wird unter Juristen, ob der Insolvenzschuldner auch verpflichtet ist, einen ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und von diesem Pflichtteil die Hälfte an Treuhänder abzuführen.

Kann der Insolvenzschuldner gezwungen werden, seinen Pflichtteil geltend zu machen?

Zum Teil wird in dieser Frage die Meinung vertreten, dass der Insolvenzschuldner als Pflichtteilsberechtigter nicht gezwungen werden könnte, seinen Pflichtteil tatsächlich auch geltend zu machen.

Der Insolvenzschuldner als Pflichtteilsberechtigter solle insbesondere nicht verpflichtet sein, gegen seinen Willen den Pflichtteil geltend zu machen und auf diesem Weg eine möglicherweise konfliktträchtige Situation innerhalb der eigenen Familie herauf zu beschwören.

Nach dieser Auffassung, die auch vom Bundesgerichtshof geteilt wird, bleibt es für den Insolvenzschuldner ohne Folgen, wenn er den ihm zustehenden Pflichtteil nicht geltend macht und ihn auf diesem Weg auch seinen Gläubigern vorenthält.

Ist die Restschuldbefreiung in Gefahr?

Nach anderer Auffassung, steht die Nichtgeltendmachung eines bestehenden Pflichtteilanspruchs der Restschuldbefreiung als Obliegenheitsverletzung im Wege, § 296 InsO. Es ist tatsächlich auch nur schwer einzusehen, warum der Pflichtteilsberechtigte den ihm zustehenden Anspruch nicht auch zur Befriedigung seiner Gläubiger einsetzen soll.

Seine Gläubiger werden wenig Verständnis dafür aufbringen, dass der Schuldner durch bloße Inaktivität die Möglichkeit versäumen kann, zu einem weiteren Schuldenabbau beizutragen.

Im Übrigen hätte es der Pflichtteilsberechtigte in der Hand, mit dem Erben hinter dem Rücken seiner Gläubiger eine Vereinbarung zu treffen, wonach er mit der Geltendmachung seiner Ansprüche bis zu dem Augenblick wartet, in dem die Restschuldbefreiung endgültig gewährt ist.

Im Übrigen spricht auch der Wortlaut des § 295 InsO, wonach Vermögen, das „von Todes wegen“ erworben wird, zur Hälfte herausgegeben werden muss, für eine Pflicht des Insolvenzschuldners zur Geltendmachung seines Pflichtteils. Dieselbe Formulierung findet sich nämlich in § 1374 Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), der sich um die Berechnung des Anfangsvermögens im Rahmen des Zugewinnausgleichs dreht.

Auch dort geht man selbstverständlich davon aus, dass der Pflichtteil von dem Vermögen erfasst wird, das man „von Todes wegen“ erwirbt.

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