Grundschulden auf Immobilien werden bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Urteil vom 10.11.2010 – IV ZR 51/09

  • Nachlassgrundstück ist mit Grundschulden belastet
  • Erbe will die Grundschulden bei der Berechnung des Pflichtteils vom Wert der Immobilie abziehen
  • BGH bestätigt, dass die Grundschulden bei der Berechnung des Pflichtteils nicht berücksichtigt werden

Der Bundesgerichtshof hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Erbe bei der Berechnung des Pflichtteilanspruchs Grundschulden auf Immobilien, die sich im Nachlass befinden, wertmindernd bei der Ermittlung des Nachlasswertes berücksichtigen darf.

Im zu entscheidenden Fall war die Erblasserin E im Jahr 1996 verstorben. Alleiniger testamentarischer Erbe war der Sohn S. Der weitere Sohn der Erblasserin war vorverstorben, hinterließ aber eine Tochter. Diese machte nunmehr nach dem Tod ihrer Großmutter gegen S Pflichtteilsansprüche geltend.

Grundschulden sichern ein Darlehen

Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus dem Immobilienbesitz der Erblasserin. Dieser Immobilienbesitz der E war mit Grundschulden zugunsten einer Kommanditgesellschaft belastet. Diese Grundschulden valutierten zum Zeitpunkt des Erbfalls mit einem Betrag in Höhe von DM 714.963,42.

In dieser Höhe sicherten die Grundschulden auf den Grundstücken der Erblasserin also Kredite, die die Kommanditgesellschaft bei einer Bank aufgenommen hatte. Der Sicherungsfall war allerdings nicht eingetreten, die Gesellschaft kam ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag gegenüber der kreditgewährenden Bank pünktlich nach.

Die Tochter berechnete ihren Pflichtteilsanspruch nunmehr auf Grundlage des ungeschmälerten Verkehrswertes der Grundstücke. Einen Abzug wegen der bestehenden Grundschulden sah sie als nicht gerechtfertigt an.

Erbe will den Wert des Nachlasses schmälern

Der Sohn als Erbe vertrat eine abweichende Auffassung. Gestützt auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vertrat er die Auffassung, dass die Grundschulden in Höhe von DM 714.963,42 unmittelbar wertmindernd vom Nachlass abzusetzen seien.

Nur auf Grundlage des so ermittelten Nachlasswertes war er bereit, Pflichtteilsansprüche der Enkelin der Erblasserin anzuerkennen.

Die Enkelin bekam in dritter Instanz vor dem Bundesgerichtshof Recht.

Der BGH wies darauf hin, dass nach § 2311 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zur Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde zu legen sei. Auch bei Grundstücken sei im Rahmen der Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs auf den Verkaufswert der Immobilie im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen.

Grundpfandrechte mindern den Wert der Erbschaft nicht

Dahingegen können auf Immobilien lastende Grundpfandrechte, so der BGH, als so genannte zweifelhafte Verbindlichkeiten nach § 2313 BGB nicht wertmindernd in Ansatz gebracht werden. Es sei ungewiss, ob und in welcher Höhe der Sicherungsfall je eintreten werde und die belasteten Grundstücke jemals als Sicherheit dienen müssten.

Insoweit bestehe eine Parallele zu vom Erblasser übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen, die als ungewisse Verbindlichkeit ebenfalls nicht zu einer Minderung des Pflichtteilanspruchs führen.

Sollten die Grundschulden je von der Bank als Sicherheit in Anspruch genommen werden, sieht § 2313 Absatz 1 Satz 3 BGB eine Ausgleichungspflicht für den Pflichtteilsberechtigten vor. Der Erbe kann im Sicherungsfall also eine Neubewertung und Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs verlangen.

Der Erbe trägt dabei allerdings das Risiko, dass sein Rückzahlungsanspruch beim Pflichtteilsberechtigten nicht zu realisieren ist, da dieser zum Beispiel in der Zwischenzeit zahlungsunfähig geworden ist.

Die auf den Nachlassgrundstücken lastenden Grundschulden blieben bei der Berechnung des Pflichtteils also (zunächst) außen vor.

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