Ein Kind pflegt die Eltern – Wie wirkt sich das auf den Pflichtteil aus?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Ein Kind pflegt die Eltern
  • Pflegeleistungen kann sich auch auf Pflichtteilsansprüche weiterer Kinder auswirken
  • Wer die Eltern pflegt, bekommt im Erbfall einen Bonus

Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Und die Menschen sind im hohen Alter immer häufiger auf Unterstützung Dritter angewiesen.

In vielen Fällen übernimmt dabei in der Praxis ein Familienmitglied die notwendige Pflege der Eltern. Dabei ist die Konstellation, dass sich ausschließlich ein Kind besonders um seine Eltern kümmert, gar nicht so selten. Weitere vorhandene Kinder mögen aufgrund räumlicher Entfernung rein tatsächlich nicht in der Lage sein, sich um die pflegebedürftigen Eltern zu kümmern.

Oft ist aber auch das Verhältnis der Eltern zu nur einem Kind besonders eng, sodass sich die Frage, wer im Ernstfall die Pflege übernimmt, gleichsam von selber beantwortet.

Mit der Übernahme einer Pflege für ein oder beide Elternteile geht das betroffene Kind regelmäßig eine sowohl emotional als auch körperlich extrem anstrengende Verpflichtung ein.

Ausgleich zugunsten des Kindes, das die Pflege der Eltern übernimmt

Diese Nachteile, die das pflegende Kind zu Lebzeiten der Eltern hat, können im Erbfall zu einem Ausgleich des pflegenden Kindes führen.

Dabei kann es sowohl im Rahmen der Erbfolge unter mehreren Kindern zu einem Ausgleich kommen. Insbesondere bei der gesetzlichen Erbfolge erhält das Kind, das die Eltern gepflegt hat, einen größeren Teil vom Nachlass.

Aber auch in den Fällen, in denen ein Testament existiert und die Eltern einen ihrer Abkömmlinge von der Erbfolge ausgeschlossen haben, es mithin nach dem Eintritt des Erbfalls Pflichtteilsansprüche zu regulieren gilt, kann sich die von einem Kind übernommene Pflege auch auf die Höhe des Pflichtteils auswirken.

Gesetzliche Vorschriften zum Ausgleich von Pflegeleistungen im Erbfall

Die für diesen Effekt entscheidenden Normen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch in § 2057a BGB und in § 2316 BGB.

Danach schreibt das Gesetz in § 2057a Abs. 1 BGB folgendes vor:

Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen … Dies gilt auch für einen Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.

Die Verbindung zum Pflichtteilsrecht findet sich in § 2316 Abs. 1 BGB:

Der Pflichtteil eines Abkömmlings bestimmt sich, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers oder Leistungen der in § 2057a bezeichneten Art zur Ausgleichung zu bringen sein würden, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei der Teilung entfallen würde.

Danach können sich Pflegeleistungen eines Kindes zugunsten der Eltern im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche insbesondere in zwei Fällen auswirken:

Ausgleichsanspruch wirkt sich auf den Pflichtteil aus

Zum einen dann, wenn ein Abkömmling von den Eltern mit Testament bzw. Erbvertrag enterbt wurde und der Abkömmling einen oder beide Elternteile über eine längere Zeit hinweg gepflegt hat. In diesem Fall ist ein fiktiver Ausgleichungsnachlass unter Hinzurechnung des Wertes der Pflegeleistungen zu bilden und erst auf dieser Basis der Pflichtteil zu bestimmen.

Das Gleiche gilt für die Fälle, bei denen die Eltern das Kind, das sie über einen längeren Zeitraum hinweg gepflegt hat, in Testament oder Erbvertrag als Erben einsetzen und gleichzeitig weitere vorhandene Kinder von der Erbfolge ausschließen.

Die enterbten Kinder müssen sich in Anbetracht der Pflegeleistungen des als Erben eingesetzten Geschwisters bei der Berechnung ihres Pflichtteils nach den in § 2316 BGB festgelegten Grundsätzen eine Minderung gefallen lassen.

Zu berücksichtigen ist dabei allerdings immer, dass der Erblasser eine solche Ausgleichung in seinem Testament einschränken oder ausschließen kann.

Eine solche Ausgleichungspflicht besteht grundsätzlich immer nur dann, wenn die Pflegeleistungen des Abkömmlings gegenüber dem Erblasser selber erbracht worden sind.

Eine Ausgleichungspflicht entfällt dann komplett, wenn der Abkömmling für seine Pflegeleistung ein angemessenes Entgelt erhalten hat, § 2057a Abs. 2 BGB.

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